60800 Apostel Zeitschrift der Arnsteiner Patres inhalt Ausgabe 1/2011 Menschen auf dem Weg Welcher Pilgertyp sind Sie? Weitere Themen: Mit Kinderm über Gott reden Ostern und die Fastenzeit Kultursommer im Kloster Arnstein Neue Töne in alten Gemäuern Mit Kindern über Gott reden Wie kann man mit Kindern Fasten und sinnvollen Verzicht üben? Und ihnen die großen, aber durchaus komplexen Osterthemen wie Sünde, Gerechtigkeit und Leben nahe bringen? Lesen Sie im Apostel unsere Anregungen. Seite 4 Zum Geleit 3 Mit Kindern über Gott reden 4 Titelthema Familie SSCC 12 Symbole der Kirche kurz erklärt 14 Geistlicher Wegbegleiter 15 Nachrichten 19 Titelthema Pilgern – Menschen auf dem Weg 60 Prozent der Menschen beschreiben sich als suchend – nur 10 Prozent von ihnen finden eine Antwort im traditionellen christlichen Glauben. Beim Pilgern finden sie sich wieder: die traditionelle Christen, die sinnsuchenden Esoteriker und der sportbegeisterte Agnostiker. Was treibt sie auf den Weg? Seite 6 Impressum Apostel (ISSN 1611-0765) Herausgeber: Provinzialat der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens (Arnsteiner Patres e. V.), Johannesstraße 36 A, 56112 Lahnstein, Tel.: 0 26 21  62 99 15, Fax: 0 26 21  62 99 20, E-Mail: provinzialat@sscc.de, Internet: www.arnsteiner-patres.de sscc ist die Abkürzung für die Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen, in Deutschland als Arnsteiner Patres und auch als Picpus (nach der Straße des Mutterhauses in Paris) bekannt. Redaktion: P. Heinz Josef Catrein sscc (verantwortlich), Kerstin Meinhardt, Thomas Meinhardt, Susanna Sargenti, P. Ludger Widmaier sscc Verlag: meinhardt, Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein, Tel.: 0 61 26  9 53 63-0, Fax: 0 61 26  9 53 63-11, E-Mail: info@meinhardt.info, Internet: www.meinhardt.info Erscheinungsort: Lahnstein 2 apostel 1/2011 6 Familie SSCC Empfängnis durch das Ohr. Gregorianik und neue musikalische Aufbrüche im Kloster Arnstein. Seite 12 Symbole der Kirche – kurz erklärt Was Sie schon immer über Osterkerze und Osterliturgie wissen wollten! Seite 14 Wege zum Gebet Gottes Angesicht suchen: Geistlicher Wegbegleiter für April, Mai und Juni Seite 15 Auflage: 6.000 Exemplare, gedruckt auf 100 % Recyclingpapier Autoren: P. Heinz Josef Catrein sscc, Lahnstein • P. Peter Egenolf sscc, Arnstein P. Friedhelm Geller sscc, Werne • Susanna Sargenti, Idstein Titel: Pilger auf dem spanischen Jakobsweg, der sich großer Beliebtheit erfreut, picture-alliance/dpa Fotos: S. 2 istock und Dr. Inga Behrendt • S. 5 Misereor – Ihr Hilfswerk, www.kinderfastenaktion • S. 6 und 7 picture-alliance/dpa • S. 9 Thomas und Iris Heigl • S. 11 picture-alliance/dpa • S. 12 und 13 unten Dr. Inga Behrendt S. 14 Jakob Flügel GmbH, www.kerzen-fluegel.de • S. 15 bis 19 istock Alle weiteren Bilder stammen aus dem Archiv der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen und der Firma Meinhardt Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung von Herausgeber und Redaktion wieder. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos kann keine Haftung übernommen werden. zum geleit Liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie dieses Heft in Händen halten, ist das neue Jahr schon zwei Monate vorangeschritten. Erinnern Sie sich noch an die Euphorie des Anfangs? Zwischen Weihnachten und Neujahr taumelten wir von Festtag zu Festtag und haben das neue Jahr gebührend begrüßt. Die meisten haben darauf angestoßen. Wir haben Hände geschüttelt und uns »Prost Neujahr« gewünscht. Raketen erleuchteten den Himmel, und nicht ohne Ergriffenheit haben wir den neuen Kalender aufgehängt und das Deckblatt abgerissen. Das neue Jahr: ein unbeschriebenes Blatt. Feststimmung, Erwartungen und Hoffnungen sind jedoch oftmals schnell getrübt. Schon ein Spaziergang am Nachmittag des ersten Januar ernüchtert: überall Reste von abgeschossenen Raketen, liegen gelassene Getränkekartons und zerbrochene Flaschen. Dieselbe nasse Kälte. Der alte Kalender verschwindet pietätlos im Altpapier, und schon am ersten Arbeitstag ist alles wie vorher. Schnell ist er wieder da, der sogenannte »graue Alltag«. Ist Grau wirklich die Farbe des Alltags? Wenn Jesus Christus mit seinen Jüngern durch das Land wanderte, war dies alles andere als ein festlicher Triumphzug. Sie gingen von Ort zu Ort, trafen die kleinen Leute und teilten ihre armseligen Lebensbedingungen. Dennoch war es kein grauer Alltag! Mich erstaunt immer wieder, wie Jesus die unscheinbaren Dinge des Alltags ins Licht setzt und zu Zeichen der Hoffnung macht. Es geht darum, die Botschaft der einfachen Dinge zu sehen: die Schönheit der Blumen, die Kraft des Samenkorns, das Spiel der Sperlinge, die Würze des Sauerteiges und die Klarheit des Weines. Noch spannender sind die Menschen, zu denen er Kontakt sucht. Jesus kennt die einfachen Tätigkeiten des Alltags: das Kneten des Teiges, das Umgraben des Gartens, das Auswerfen der Netze, das Flicken eines Kleides oder das Umarmen eines Kindes. Das Leben, die Freude und auch das Versagen der kleinen Leute werden zu Zeichen für das Reich Gottes, wo es um Zuwendung und Heilung geht. Für Jesus gibt es keinen »grauen Alltag«. Es gibt nur die Zeit, die uns zum Segen gereichen soll. In diesem Sinne wünsche ich, dass das noch frische junge Jahr Ihnen mit seinen Festen und Arbeitstagen zum Segen wird. Mit herzlichen Grüßen Ihr P. Heinz Josef Catrein sscc 1/2011 apostel 3 mit kindern über gott reden Von Müllkindern und Osterlämmchen Mit Kindern die Fastenzeit erleben Wenn ich mich an die Fastenzeit in meiner Kindheit erinnere, ist mir immer das Fastengläschen vor Augen. Während der Fastenzeit aßen wir als Kinder keine Süßigkeiten. Wenn uns etwas geschenkt wurde, sammelten wir alles in einem großen Einmachglas. Das ergab eine bunte Mischung aus Schokolade, Lakritz, Himbeerbonbons und Kaugummis. Am Karsamstag saßen meine Schwester und ich dann um 12.00 Uhr vor dem Glas, warteten auf den Glockenschlag, stürzten uns ausgehungert auf den Inhalt und schaufelten alles kunterbunt in uns hinein – nicht immer folgenlos. Manchmal hatten wir Bauchweh, aber wir wussten: Es gibt eine Fastenzeit! Hallo, ich bin Bruder Andreas. Ich begleite durch diese Seiten. Diesmal erzählt Pater Heinz Josef, dass ihm nach der Fastenzeit immer schlecht wurde… naja, hier kann man es ja selber lesen! 4 apostel 1/2011 Wenn wir nicht aufpassen, geht die Fastenzeit an Kindern heutzutage vorüber. Die Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern bieten jedoch vielerlei Möglichkeiten, zentrale Themen des Glaubens anzusprechen. Drei Beispiele möchte ich nennen: Sünde – Gerechtigkeit – Leben. Sünde Viele rümpfen bei diesem Wort vielleicht die Nase. Was soll man schon darüber sagen? Immer schön brav zu sein, ist für Kinder langweilig. Ihnen zu erzählen, dass der liebe Gott über die Sünden weint, ist theologisch fragwürdig. Den Begriff ganz wegzulassen, ist verantwortungslos. Wer mit Kindern zu tun hat, weiß, sie können sehr wohl zwischen Gut und Böse unterscheiden. Wichtig ist es, Kindern eine konkrete Vorstellung vom Wesen der Sünde zu vermitteln. Ich habe dies immer mit dem Satz versucht: Wer sündigt, schadet sich und anderen! Wenn Geschwister sich zanken, kann man zeigen, wie das den Familienfrieden beeinflusst. Erst prügeln sich die Kinder und weinen, die Mutter sieht das Ganze und fängt an zu schimpfen, der Vater kommt dazu und ist sauer. Die erste Frage ist dann: »Gefällt es dir, wenn alle traurig sind?« Die Antwort lautet erwartungsgemäß: »Nein.« Bei der zweiten Frage: »Wem hast du Schaden zugefügt?«, heißt die Antwort zumeist: »Meiner Schwester, meiner Mama, meinem Papa …« Dann kommt die entscheidende Frage: »Und wem hast du noch geschadet? Du fühlst dich selber ja auch nicht wohl?« Fast immer kommt dann die Einsicht: »Mir selbst.« Damit sind wir beim Wesentlichen. Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, mit Kindern die Gewissenserforschung zu üben. Beim Abendgebet können Sie fragen: »Hast du heute dir oder anderen geschadet?« Begnügen Sie sich mit einem Kopfnicken oder einem »Ja« des Kindes. Fragen Sie das Kind nicht aus. Erzählen sie ihm, dass Gott alle Sünden verzeiht, und sprechen Sie dann das Abendgebet. mit kindern über gott reden Leben Gerechtigkeit Ein anderes Thema der Fastenzeit ist die »Gerechtigkeit«. Gerechtigkeit zu üben, ist besser als Fasten, lautet die Botschaft der Propheten. Das Hilfswerk Misereor hat auch in diesem Jahr wieder sehr gut geeignete Materialien für Kinder zusammengestellt. Ein Videospiel etwa, bei dem Kinder Flaschen sammeln und etwas über die Not der »Müllkinder« in Peru lernen. Zwei peruanische Kinder – Magali und Walberto – führen durch die erschreckende Welt der Slums. Sie machen aber auch deutlich, wie Menschen gegen das Elend kämpfen. Ein kurzer Videofilm zeigt Bilder aus Peru, vor allem über das Leben der Kinder. Zudem werden dort auch leckere Kochrezepte vorgestellt. Vielleicht können Sie einmal einen Kindergeburtstag mit peruanischem Essen feiern? Dies ist eine ideale Beschäftigung für die ganze Familie: Man lernt Masken, Panflöte, Fingerpuppen oder ein Mobile basteln und kann die spannende Geschichte »Vier Spürnasen auf der Spur« lesen. Wichtig ist es, immer wieder den biblischen Bezug herzustellen. Jesus wollte, dass die Menschen einander helfen und sich lieben. Dies können Sie zum Ausdruck bringen, indem Sie das Tisch- oder Abendgebet um eine Fürbitte ergänzen: »Hilf den Müllkindern in Lima! Beschütze Walberto und seine Freunde.« Misereor stellt auch schöne Opferkästchen für Kinder zur Verfügung. Man kann sie direkt bestellen oder in der Pfarrei nachfragen. Alle Materialien und Spiele finden Sie im Internet unter: www.kinderfastenaktion.de Die Fastenzeit darf nicht von Ostern getrennt werden. Erzählen Sie den Kindern immer wieder, Jesus will, dass alle Menschen ein gutes Leben auf Erden haben. Dafür kämpft er für Frieden und Gerechtigkeit. Er ist aber auch am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden, um uns zu zeigen: Es gibt ein ewiges Leben. Viele unserer Ostersymbole sind Zeichen des Lebens: das gebackene Osterlämmchen mit der Siegesfahne, das Ei, die nach dem langen Winter blühenden Osterglocken und die Osterkerze. Erklären Sie den Kindern die Symbole: das Kreuz als Zeichen des Leides, die fünf Punkte für die fünf Wunden – ebenfalls ein Zeichen des Leidens – und die Flamme als Zeichen des Lebens. Die Jahreszahl sagt, dass Jesus der Herr über die Zeit ist. Die Buchstaben Alpha und Omega bedeuten, Jesus ist der Anfang (Α) und das Ende (Ω). Falls es nicht schon Tradition bei Ihnen ist, denken Sie über ein gemeinsames Osterfrühstück nach. An einem feierlich gedeckten Tisch mit Osterkerze und Blumen, mit Ostereiern und einem gebackenen Osterlamm können Sie die Auferstehungsgeschichte vorlesen und gemeinsam das Halleluja von Taizé singen. Ein solches Osterfrühstück kann Kinder schon lange vorher beschäftigen. Sie bemalen Ostereier und basteln eine Osterkerze. Sie können Tischkärtchen herstellen oder ein Bild von Magali und Walberto hinzufügen und mit Blumen, Servietten und Grün schmücken. Eigentlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ein gemütliches Frühstück ist ein Wert an sich, das Osterfrühstück kann aber auch zeigen, dass der Glaube an den Auferstandenen die Grundlage unserer Gemeinschaft und unserer Freude ist. ■ p. heinz josef catrein 1/2011 apostel 5 titelthema Menschen auf dem Weg Vom Pilgern und Wallfahren typ Welcher Pilger sind Sie? Fatima oder nach Lourdes, ren Glauben en hr fa e Si  möchten Ih Altötting? Sie ttlichen Beistand erbitten? gö d un spilger sein. vertiefen e ein Tradition Si n te nn kö n Dan , Sie fahren der Nahe Osten n  Ihr Ziel ist und Palästina? Pilgern zu de ? ts en am st Te nach Israel n lte en und A Stätten des Neu f historische Fakten au t er W n Sie lege te Führungen? und qualifizier Sie ein Bildungspilger sein. Dann könnten spirituelle ng und suchen  Sie sind ju tserlebnisse? Sie besuchen Gemeinschaf und Jugendwallfahrten? WeltjugendtageSie ein Eventpilger sein. Dann könnten er sieux, Avila od n nach Assisi, Li vo n rt er te lg is pi ge e be Si  weg? Sie sind auf dem Jakobs Heiligen? Sie bewegen sich en oß einigen gr e mehr über en und möcht auf ihren Spur lernen? und von ihnen Sie ein Heiligenpilger sein. Dann könnten wichtig? ? t Ihnen nicht so  Das Ziel is sich eine Auszeit vom Alltag he lic er rp Sie nehmen kö worten? Die Sie suchen Ant und das Erlebnis auf ng ru de Herausfor Sie? dem Weg reizenSie ein Sinnsucher sein. n te nn Dann kö 6 apostel 1/2011 titelthema Das Pilgern erlebt derzeit eine Renaissance. Seit einigen Jahren entdecken immer mehr Menschen auch in Deutschland das Pilgern als eine Möglichkeit, spirituelle Erfahrungen zu machen, sich selbst intensiv zu erleben und Antworten auf die Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens zu finden. Sie packen nur das Nötigste ein, nehmen körperliche Strapazen in Kauf und verzichten auf alle Bequemlichkeiten, um zu laufen und zu laufen. Warum machen sie das? Aus sehr verschiedenen Gründen. Vielleicht ist ja auch etwas für Sie dabei? Wer pilgerte, brachte große Opfer Christen sind Menschen auf dem Weg. Auf dem Weg sein hat im Christentum eine lange Tradition, denn Jesus und die Apostel waren auf Wanderschaft, um das Evangelium und die Frohe Botschaft zu verkünden. Die christliche Wallfahrt hat ihre Wurzeln im Judentum, in den Wallfahrten zum Tempel in Jerusalem. Im Christentum wurden die Gräber der Apostel und Märtyrer zu Wallfahrtsorten und zogen die Menschen in ihren Bann. In der Vergangenheit nahmen die Gläubigen nicht nur Strapazen und Verzicht auf sich, um pilgernd ihr Ziel zu erreichen. Sie begaben sich nicht nur symbolisch in Gottes Hände. Auf dem Weg sein bedeutet für »mich: Ich hab ein Ziel vor Augen, das mich gehen, hoffen und leben lässt. « p. ralf birkenheier sscc unterwegs überfallen, ausgeraubt, und die Wiederkehr war ungewiss. Wenn sie zu den Glücklichen gehörten, die es schafften, wieder nach Hause zu kommen, mussten sie sich dort ihre Existenz erneut aufbauen. Wer pilgerte, brachte große Opfer. Es ging nicht um Abenteuer, Selbsterfahrung oder ein persönliches spirituelles Highlight. Der Weg war nicht das Ziel. Wichtig war es, den Ort zu erreichen, an dem der Glaube begreifbar und erfahrbar war. Wichtig war es, den Sarkophag zu berühren, der die sterblichen Überreste des Heiligen barg, um dabei Vergebung oder Gesundung zu erbitten. »Es war wie in biblischer Zeit, als die Notleidenden versuchten, sich Jesus zu nähern. Sie wollten seinen Mantel berühren und den Herrn anfassen«, sagt Pater Olav Müller sscc. Bis heute bedeutet Wallfahren, Gott in einer heiligen Stätte nah zu sein. Viele besuchen Wallfahrtsstätten, um Dank für widerfahrenes Glück zu sagen oder um für Gesundheit zu bitten. Auf dem Weg sein bedeutet für »mich: einfach weitergehen ohne nach rechts oder links zu schauen, aber mit dem Blick unverwandt auf das irdische oder himmlische Heiligtum gerichtet. « p. olav müller sscc Wallfahren – Lebenshilfe aus dem Glauben Im letzten Jahr nahmen 9.000 Menschen an der Fußwallfahrt von Osnabrück nach Telgte teil. An einem Tag liefen sie 46 Kilometer in einem Tross von gut zwei Kilometern Länge mit 20 Begleitfahrzeugen und 150 Helfern. Hier wird deutlich, worin sich Wallfahren und Pilgern unterscheiden. Die Menschen werden in der Regel mit Bussen und Zügen zum Wallfahrtsort gefahren und laufen dort eher symbolisch ein kleines Stück zu Fuß. Waren Wallfahrten in der Vergangenheit zumeist Gruppenreisen und die Tiefe des spirituellen Erlebens von den Organisatoren ab- Sie verließen Haus und Hof und gingen in die Fremde. Nicht zufällig bedeutet das Wort Pilger, das vom lateinischen peregrinus abstammt, »Fremder«. Sie gingen, um ein Gelübde zu erfüllen oder Buße zu tun. Dabei setzten sie sich den Gefahren des Weges ohne Handy, Kompass oder Navigationsgerät aus. Sie wurden Fußwallfahrt nach Telgte: alljährlich laufen mehrere Tausend Menschen die 46 Kilometer lange Strecke, um am Ziel Gott nahe zu sein. 1/2011 apostel 7 titelthema Auch Ordensbrüder pilgern! Eine Gruppe der Arnsteiner Patres auf dem Weg von Nassau nach Kloster Arnstein. Arnsteiner Wallfahrt 2011 »Zur Hoffnung berufen« – wenn Sie nach Arnstein kommen und auf das Herz-Jesu-Bild schauen, werden Sie fühlen, zu welcher Hoffnung auch Sie berufen sind! Nach Epheser 1,18 sind wir »zur Hoffnung berufen«. Wir möchten unserer Fähigkeit, dem Reiche Gottes als Zeugen zu dienen, während unserer Wallfahrten nachspüren: Was mag damit alles gemeint sein? Welche Gedanken und Wegweisungen werden sich uns im Laufe des Jahres erschließen? Noch weiß ich es nicht. Ich lade Sie herzlich ein, an unserer diesjährigen Wallfahrt teilzunehmen. Mit Ihnen zusammen werden wir eine starke Hoffnungsgemeinschaft sein. p. bernhard bornefeld sscc Wallfahrtstermine Von Mai bis September finden jeweils am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag (außer Christi Himmelfahrt und Fronleichnam) Wallfahrten statt und an den folgenden Sonntagen: 29. Mai, 5., 19., 26. Juni und 3. Juli. Nähere Informationen: www.arnsteiner-patres.de oder über P. Bernhard Bornefeld sscc Kloster Arnstein, 56379 Obernhof/Lahn Tel.: 0 26 04 97 04 20 Fax: 0 26 04 16 06 bernhard.bornefeld@sscc.de 8 apostel 1/2011 hängig, so wird etwa in Altötting der Trend zum Individualwallfahren beobachtet. Immer mehr Menschen kommen ohne Gruppe, um die besondere Spiritualität des Ortes zu erfahren. Rund 300 Menschen kamen an einem der Wallfahrtssonntage bis Anfang der neunziger Jahre allein aus der Eifel mit einem Sonderzug nach Kloster Arnstein. Heute kommen die Wallfahrer mit Bussen. »Es sind nicht mehr so viele wie früher – aber 180 Wallfahrer aus der Eifel sind es an einem der Wallfahrtssonntage immer noch«, erzählt Franziska Vossemer, die selbst seit den sechziger Jahren Teilnehmerin der Wallfahrt ist und nun schon seit Jahrzehnten im Vorbereitungsteam mitarbeitet. »Das große Altarbild mit Christus, der die Arme ausbreitet und uns einlädt, hat eine heilsame Wirkung auf Menschen, die sich ihm öffnen«, beschreibt Franziska Vossemer die Spiritualität dieses Ortes. Die Menschen haben eine Sehnsucht nach Lebenshilfe aus dem Glauben. Sie suchen Orte, an denen sie ihre Seele stärken können. Wichtig ist den Wallfahrern auch das Gemeinschaftserlebnis mit Menschen, die Ähnliches suchen. Beim Pilgern begibt sich der Mensch zu Fuß auf den Weg, um dann nach manchmal wochenlangen Strapazen die Wallfahrtskirche zu erreichen, so wie Pater Olav, der mit über 80 Jahren auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela pilgerte. dem Weg sein bedeutet für »Aufmich: hören, sehen, fühlen, riechen, wahrnehmen … mit allen Sinnen und einem offenen Herzen. « p. bernhard bornefeld sscc Dass sich ein Ordensmann auf den Weg macht, um heilige Stätten aufzusuchen, erstaunt weniger. Warum aber pilgern weltweit 150 Millionen Menschen? Und der Trend zeigt weiterhin nach oben: Während 1999 im Heiligen Jahr gut 150.000 Menschen auf dem Jakobsweg pilgerten, waren es im Heiligen Jahr 2010 mit über 270.000 fast doppelt so viele. Spirituelles Wandern oder christliches Pilgern? Die Gründe für eine Pilgerschaft sind sehr vielfältig und nicht immer religiöser Natur: Die einen wollen etwas für ihre Gesundheit tun, andere lockt touristische Neugier, und die Dritten sind auf der Suche nach sich selbst. Wo bleibt Gott bei alledem, ist man versucht zu fragen. Auf dem Weg sein bedeutet für »mich, die Feier des Kirchenjahres und die Betrachtung des Wortes Gottes nicht nur zu wiederholen, sondern diese Botschaften unseres Glaubens immer wieder neu in das aktuelle Leben hinein zu übersetzen. « p. manfred kollig sscc Und nicht wenige Theologen wagen eine Abgrenzung zwischen dem »wahren Pilgern« und der esoterischen oder abergläubischen »Vagabondage«, dem »ziellosen« und »selbsttrügerischen« Pilgern. Dennoch sind 270.000 Menschen, die sich auf den Weg machen, um etwa zu Fuß oder mit dem Fahrrad Santiago de Compostela zu erreichen, keine zu vernachlässigende Größe. Unabhängig von ihrer Motivation, begeben sich diese Menschen auf eine Wanderschaft, mit der sie Erwartungen und Hoffnungen verknüpfen, sie tauschen die Annehmlichkeiten der Moderne mit Rucksack und Pilgerstab, verzichten beim Schlafen in den einfachen Pilgerherbergen auf Komfort und Privatsphäre und laufen sich die Füße wund. Dabei teilen sie viele Erfahrungen mit Menschen, die eine religiöse Motivation auf ihren Weg treibt: Sie entscheiden sich für ein ein- titelthema … über den Wolken, über dem Leben … Zur Spiritualität der Herz-Jesu-Wallfahrt in Kloster Arnstein Iris und Thomas Heigl leben in der »heiligen« Stadt Köln: Sie haben den Kölner Dom, verschiedene Marienwallfahrtsorte wie die Schwarze Madonna in der Kupfergasse oder die Heiligen Drei Könige, die charismatische Pfarrgemeinde und den traditionellen Pfarrer – kurz die gesamte Bandbreite katholischer Spiritualität! Wenn sie aber ihren spirituellen Ort spüren wollen, tauschen sie den gesamten Kölner Katholizismus gegen das Kloster an der Lahn, hoch oben am Berg. Bild kommt noch Iris Heigl: Das Altarbild vom Herzen Jesu hat mich von Anfang an fasziniert. Ich habe mich sofort geborgen gefühlt und wusste, hier bin ich richtig! Thomas Heigl: Mir ging es ähnlich. Heute ist das Kloster Arnstein für mich der Ort, an dem mein Glaube seinen festen Platz hat. Es ist ein Ort, an dem ich im wahrsten Sinne des Wortes über dem Leben stehe: damals noch über Schule und Ausbildung, später über dem Beruf und der Familie, der eigenen Pfarrgemeinde oder Wohngemeinde. Es ist der Ort, an dem Glaube nicht »verkopft« ist. Welche Bedeutung hat die Herz-Jesu-Spiritualität in Ihrem Alltag? Frau Heigl, Herr Heigl, Sie waren gerade erwachsen geworden, als Sie 1980 die Arnsteiner Wallfahrt kennengelernt haben. Was haben Sie dort gefunden, das Sie seitdem immer wieder auf die Wallfahrt nach Kloster Arnstein zieht? Iris Heigl: Als ich das erste Mal an der Arnsteiner Wallfahrt teilgenommen habe, war es für mich eine schöne Erfahrung, mit vielen anderen Menschen zusammen im Zug zu singen und zu beten. Damals sind ja gut 700 Menschen mit den Sonderzügen nach Arnstein gefahren. Thomas Heigl: Ich kannte den Herz-Jesu-Freitag, und als ich von der Herz-Jesu-Wallfahrt in der Zeitung gelesen habe, war ich sofort interessiert. Mich zieht diese besondere Spiritualität mit ihrer Verbindung zum Johannesevangelium nach Arnstein. Iris Heigl: Arnstein hat eine sehr persönliche Bedeutung für uns. Wir haben uns nicht nur während unserer ersten Wallfahrt kennengelernt, sondern dort auch eine spirituelle Familie gefunden, die Arnstein-Gemeinschaft. Wir sind mittlerweile 45 Menschen, die sich durch die Herz-Jesu-Spiritualität verbunden fühlen und sich immer wieder im Kloster Arnstein zu den Wallfahrten und auch darüber hinaus zur spirituellen Einkehr treffen. Thomas Heigl: Spiritualität im Alltag zu spüren, finde ich oft schwierig. Auch die Pfarrgemeinden gleichen heute eher Verwaltungen statt spirituellen Zentren. Um spirituelle Erfahrungen zu machen, muss man sich auf den Weg machen, muss aus dem Gewohnten rausgehen! Auch aus dem gewohnten Rahmen der Kirche. Muss an Orte gehen, wo der Glaube überschaubar ist. Wie in Arnstein, wo er gefühlt werden kann oder, wie ich immer sage, »verherzt« ist. Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Susanna Sargenti 1/2011 apostel 9 titelthema SSCC-Pilgerreise nach Rom anlässlich der Heiligsprechung P. Damians am 11. Oktober 2009. Millionen von Gläubigen pilgern weltweit. Bei allem Trennenden bieten viele der großen Weltreligionen ihren Gläubigen den Erfahrungsweg des Pilgerns an: Christen reisen nach Rom, Moslems nach Mekka, Hindus an den Ganges und Buddhisten an die Stätten des »Erwachten«. faches Leben und werfen Ballast ab. Nur das Notwendigste kann mit, alles muss im wahrsten Sinne des Wortes im »Schweiße des Angesichts« getragen werden. Auch wenn man mit Wehmut den einen oder anderen persönlichen Gegenstand nicht einpackt, merkt man beim Pilgern, dass man ihn nicht vermisst. Denn beim Pilgern reduziert sich das Leben auf wenige, existenzielle Dinge: genug zu essen und zu trinken dabeizuhaben und die nächste Herberge für die Nacht zu erreichen. Das Leben erhält einen vom eigenen Laufrhythmus geprägten Takt. Der Kopf wird entlastet von den Sorgen und den vielfältigen Reizen des Alltags und kann sich den wesentlichen Fragen widmen. Beim Pilgern verlässt sich der Mensch auf sich selbst und lernt, die Gelegenheiten und Gegebenheiten des Weges zu erkennen und anzunehmen. Viele machen die Erfahrung, dass sich am Ende manches findet und plötzlich unerwartete Hilfe da ist. Sie lernen zu vertrauen, dem Leben und Gottes Fügung. 10 apostel 1/2011 P. Olav erzählt von einer »heiligen Bruderschaft« unter den Pilgern, die sich einstellt, ganz gleich wie heilig oder weniger heilig die Motive für die Pilgerschaft auch sein mögen. Auch die vielen Pilger, die alleine laufen, finden – wenn sie dies wollen – eine Gruppe von Gleichgesinnten. Man begegnet sich immer wieder und läuft ein Stück des Weges gemeinsam. Viele pilgern ganz bewusst mit einer Gruppe, die sich gegenseitig stützt und zum Durchhalten anspornt. Das Auf dem Weg sein bedeutet für »mich ankommen. Nicht der Weg ist mein Ziel, sondern die Ankunft. Wenn mir auf dem Lebensweg schwarz vor Augen wird oder ich Blut in die Schuhe kriege, macht mein Glaube mir Beine. Der Glaube, dass ich am Ende meines Lebensweges nicht am Ende bin, sondern am Ziel. Zeitlebens werde ich Abraham nicht los. Ich bin noch nicht angekommen … « p. hans-ulrich willms sscc gemeinsame Durchlaufen der Landschaft mit allen Höhen und Tiefen schweißt die Pilger zusammen. Viele Gruppen gestalten die Pilgerschaft bewusst als spirituell gelebte Zeit, mit einem christlichen Motto, Impulsen, Gebeten und intensiven Gesprächen. Auch menschlich wachsen die Pilger zusammen, lernen, auf den Langsamen zu warten und den Schnellen auch mal ziehen zu lassen. Es ist wie im richtigen Leben, wo Distanz und Nähe immer wieder neu bestimmt werden. Denn beim Laufen muss jeder Pilger auf seinen Körper hören und fühlen, wo die Grenzen seiner Belastbarkeit sind. Nur wenn jeder diese Grenzen akzeptiert, wird die Gruppe und der Einzelne seine Reise beenden und das Ziel erreichen. Der Weg ist das Ziel, sagen die einen. Der Weg ist nur das Ziel, wenn man weiß, wohin man möchte, erwidern die anderen. Ist der Weg nur das Ziel, wenn man weiß, dass am Ende die Begegnung mit Gott steht? Fest steht, dass Pilgern heute kein ausschließlich religiös besetzter titelthema Begriff mehr ist. Wie kann man ihn etwa vom Wandern abgrenzen? Wo hört das spirituelle Wandern auf, und wo beginnt das christliche Pilgern? Keiner kehrt so zurück, wie er gestartet ist Über das Pilgern zu reden, zieht unweigerlich nach sich, über Spiritualität zu sprechen. Denn Pilgern ist ein Beispiel für den Megatrend Spiritualität, so Paul Michael Zulehner, katholischer Pastoraltheologe. Es reiht sich ein in das Interesse an Klosterurlauben, Feng-Shui im Wohnzimmer und Bachmusik in alten Kirchen. Während 60 Prozent der Deutschen offen für die spirituelle Suche nach dem Sinn des Lebens sind, fühlen sich nur 10 Prozent davon im traditionellen Glauben verankert. 50 Prozent der spirituell Suchenden sind offen für Elemente aus Philosophie, fernöstlichen Religionen und Esoterik. Kann Kirche Suchende von sich weisen, nur weil sie nicht wissen oder spüren, wohin sie gehören? Weil sie nur in Teilen dazugehören (möchten)? Weil sie Gott auf eine andere Weise erleben und spüren? Pilgern sei weltlicher geworden, stellen viele fest. Pilgern sei trivialer geworden, beklagen sich die anderen. Pilgern sei von Religion entkoppelt und diene einer weit verstandenen Spiritualität, deren Sinn und Zweck die Selbstfindung sei und nicht die Begegnung mit Gott. Mögen die Gründe für das Pilgern auch sehr verschieden sein: Jeder Pilger geht den Weg, um von ihm verwandelt zu werden. Keiner kehrt so zurück, wie er gestartet ist. Das Durchlaufen der Landschaften – bei Regen und Kälte oder unerträglicher Hitze, mit Schmerzen in den Knien und Blasen an den Füßen – bringt dem Pilger die Natur in ihrer schönen und brutalen Realität nah und lässt ihn seine Leiblichkeit erfahren. In der Natur offenbare sich Gott, fasst der Journalist Franz Alt seine Erfahrungen beim Pilgern zusammen und bezeichnet sie als die »grüne Kathedrale Gottes«. Jeder Pilger erlebt beim Laufen eine tiefere Wirklichkeit, lernt »heilige Orte zu sehen und zu erkennen«. In der Empfänglichkeit für neue Gedanken und Gefühle liegt die Chance zur Veränderung – und vielleicht eine Chance für die Kirche, den Suchenden neue Antworten zu geben. ■ susanna sargenti Auf dem Weg sein bedeutet für »mich, (...) aufgebrochen zu sein. Auf dem Weg bleiben bedeutet, dass ich immer wieder der Versuchung widerstehe, mich einzurichten, einzunisten, zu installieren. (...) Auf dem Weg sein heißt aber auch weitergehen, auch wenn die Knochen schmerzen, auch wenn der Rucksack auf den Schultern drückt und auch wenn die Sonne allzu sehr vom Himmel brennt. (...) Auf dem Weg sein heißt auch zu lernen, dass andere auf dem gleichen Weg ihr Brot mit mir teilen, und ich kann mit ihnen mein Brot teilen. « p. martin königstein sscc Pilger-Highway: Im August 2010 pilgerten über 60.000 Menschen zu Fuß, auf dem Fahrrad oder dem Pferderücken nach Santiago de Compostela, wo täglich fünf Pilgermessen für die erschöpft Ankommenden gefeiert werden. 1/2011 apostel 11 familie sscc »Empfängnis durch das Ohr« Gregorianik und neue musikalische Aufbrüche in Kloster Arnstein Stimmen aus dem Chor Seit 2009, dem Jahr, in dem die Ökumenische Schola in Kloster Arnstein gegründet wurde, gehöre ich dieser kleinen Gruppe von Sängerinnen und Sängern an. Die Veranstaltungsreihe »Conceptio per aurem« war für mich eine wichtige Erfahrung: Anfangs empfand ich die »Empfängnis über das Ohr« als eine gewagte und befremdliche Aussage. Durch einen Vortrag von Prof. Dr. Eckhard Nordhofen bekam ich dann einen Zugang. Ich verstand nun das Bibelwort »Der Heilige Geist wird über dich kommen«, hier also per aurem, und die Bibelstelle »Das Wort ward Fleisch« in einer neuen Weise. doris schäfer Seit Anfang 2010 singe ich in der Choralschola von Kloster Arnstein. Besonders gefällt mir hier, dass wir über das, was wir singen, auch sprechen. Auf diese Weise habe ich als evangelischer Christ einiges Neues über die katholische Lehre und Tradition erfahren. uwe büchner 12 apostel 1/2011 Hören über Grenzen – Conceptio per aurem oder Empfängnis durch das Ohr. Mit dieser Veranstaltungsreihe knüpfte man im Kultursommer 2010 an die fast siebenhundertjährige Tradition des gregorianischen Chorals in Kloster Arnstein an und machte diese Form des liturgischen Gesangs auf vielfältige Weise erlebbar. Veranstalter war der Peregrini e. V., die künstlerische Leitung hatten Diethelm Gresch und Inga Behrendt inne. Neben der ökumenischen Choralschola Arnstein-Obernhof traten verschiedene Instrumentalisten und Sänger auf: Das mittelalterliche Streichinstrument Nyckelharpa war genauso zu hören wie der moderne Synthesizer. Eine Salzburger Schola konnte für ein Konzert gewonnen werden, ebenso ein Sänger mit dem seltenen Stimmfach Altus. Die 2009 gegründete und von Inga Behrendt geleitete Ökumenische Choralschola ArnsteinObernhof besteht derzeit aus zwölf Sängerinnen und Sängern, darunter auch evangelische Christen und Menschen, die konfessionell nicht gebunden sind. »Gregorianik bedeutet für mich, einstimmig in Gemeinschaft Gott ehren. Es ist wie eine Zwiesprache mit Gott, wie ein Gebet, eine tiefe spirituelle Erfahrung«, sagt Diethelm Gresch, dem insbesondere der Choraltag für Kinder in Erinnerung geblieben ist. 24 Kinder zwischen sechs und fünfzehn Jahren haben im Sommer in Kloster Arnstein an einem Choraltag teilgenommen und dabei gregorianische Klang- und Sprachspiele erlebt. Begeistert haben sie kleine gregorianische Melodien gelernt und im Wechselspiel mit den Musikerinnen Simone Pan- familie sscc lesen kann. Musik dagegen lebt erst durch das Musizieren. Besonders schwierig wird es, wenn die Musik in Noten oder Zeichen geschrieben ist, die heute kaum jemand lesen kann. Interessierte sind herzlich willkommen nes und Inga Behrendt gesungen, um auf diese Weise Gregorianik in der Gemeinschaft zu erfahren. Gerade die Arbeit mit den Kindern hat gezeigt, dass gregorianischer Choral durch die richtige Vermittlung etwas sehr Lebendiges sein kann. Ist es diesbezüglich für Musik doch sehr viel schwerer als für Kunstwerke, die wir über unsere Augen aufnehmen und auf diese Weise über lange Zeit im Gedächtnis behalten. Bilder und Skulpturen werden in Museen gesammelt und ausgestellt, die Architektur früherer Zeiten ist jedermann zugänglich, die Literatur der Vergangenheit kann aufleben lassen, wer Immer wieder bereichert die Choralschola mit ihrem Gesang die Gottesdienste in Arnstein, und ab diesem Jahr wird sie regelmäßig die jeweils am ersten Freitag des Monats in Kloster Arnstein stattfindenden Herz-Jesu-Gottesdienste mitgestalten. Diese Gottesdienste sind Teil der im Wallfahrtsort Arnstein gelebten HerzJesu-Frömmigkeit. Die Choralschola möchte die Arnsteiner Patres darin unterstützen, gerade diese Gottesdienste musikalisch reich und stimmungsvoll zu gestalten. Das nächste Programm wird neben der Gregorianik und den gewohnten Gesängen in deutscher Sprache auch anderssprachige Lieder etwa aus Taizé umfassen. Die Schola trifft sich jeweils am ersten Freitag im Monat um 16.30 Uhr vor dem Herz-Jesu-Gottesdienst in der Klosterbibliothek zu einer »offenen Probe«. Wir freuen uns über jede interessierte Person, die hinzukommt und mitsingt, eigene Vorschläge einbringt oder auf einem Instrument etwas im Gottesdienst spielt. »Diese Mischung aus Gesang und Liturgie hat bereits im letzten Sommer zahlreiche Gottesdienstbesucher nach Kloster Arnstein gelockt«, so Pater Bernhard Bornefeld sscc, Leiter der Arnsteiner Wallfahrt und selbst begeistertes Chormitglied der Schola. »Wir hoffen, dass auch weiterhin zahlreiche Menschen diese Gottesdienste mit uns feiern und auf diese Weise Gott begegnen.« ■ inga behrendt Kloster Arnstein als Kulisse für den Choraltag. Kinder erfahren spielerisch, was gregorianischer Gesang ist. Ausblick auf die Veranstaltungen dieses Jahres Ein Benefizkonzert für die Wartung der Orgel in der Arnsteiner Klosterkirche Am Weißen Sonntag, den 1. Mai 2011, um 17.00 Uhr im Kloster Arnstein Unter dem Motto »Halleluja! Ihr Christen, singet hocherfreut! – ein österliches Konzert« wird die Choralschola im Wechsel mit dem Orgelspiel von Anton Stingl jun. (Freiburg) Gesänge des gregorianischen Chorals zu Gehör bringen. Arnsteiner Oasentage im Kloster Arnstein am 12. August 2011: Gehen, Schreiten, Laufen, Pilgern – Ein persönlicher Pilgertag am 11. November 2011: Von Krankheit und Lebensmut – Eine Veranstaltung zum heiligen Damian De Veuster sscc am 2. Dezember 2011: Es kommt von Herzen! – Eine Veranstaltung zur Spiritualität der Heiligsten Herzen. Geistliche Begleitung: P. Bernhard Bornefeld sscc und P. Martin Königstein sscc. Gesangsproben: Inga Behrendt. Die Oasentage finden unter Mitwirkung des Katholischen Amtes für Religionspädagogik Montabaur des Bistums Limburg statt. Wer am Mitmachen oder Zuhören interessiert ist, melde sich bitte bei Inga Behrendt: 0 15 20 6 10 16 44 oder inga_behrendt@yahoo.de Einen ausführlichen Bericht über die Veranstaltungsreihe »Hören über Grenzen – Conceptio per aurem« und einen Überblick über die neuen Vorhaben finden Sie im Internet unter www.arnsteiner-patres.de. Lesen Sie dort auch zahlreiche persönliche Kommentare von Mitwirkenden, Gästen und Verantwortlichen. 1/2011 apostel 13 symbole der kirche – kurz erklärt Die Osterkerze – eine Predigt aus Wachs Nur ein Tier – und dazu noch ein ganz kleines – hat es geschafft, in den offiziellen Gebetsschatz der Kirche aufgenommen zu werden, gar in das feierliche Exsultet (»Frohlocket«) der Osternacht. Dort hören wir: »In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater, nimm an das Abendopfer unseres Lobes, nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe. Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet, wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche.« Die Liturgie der Osternacht ist ein eindrucksvolles Beispiel heiliger Dramaturgie. In wenigen Minuten wird die Geschichte der Menschheit und ihre Zukunft dargestellt. Draußen vor der Kirche ist im Dunkeln ein Feuer entzündet – aus dem Stein geschlagen, wie es früher Vorschrift war. Erinnerung an unsere frühen Vorfahren, als Neandertaler & Co. das Feuer entdeckten. An diesem Feuer wird die große Osterkerze entzündet, mit fünf roten Wachsnägeln in Kreuzesform »verwundet«, mit der Jahreszahl sowie Alpha und Omega geschmückt, dem ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets. Gottes Licht ist am Anfang und am Ende und auch in diesem Augenblick. Der Diakon trägt die Kerze sodann in die Kirche, singt dreimal in steigender Tonlage »Lumen Christi« – Christus, das Licht! – und entzündet die kleinen Kerzen der Gläubigen. Die Kirche wird heller und heller. Die Gemeinde erfährt im Exsultet, warum diese Nacht so einzigartig ist, und in den Lesungen, welch große Taten Gott gewirkt hat – die Erschaffung der Welt, der Gang durch das Rote Meer. Dann brennen alle Lichter der Kirche, das »Ehre sei Gott« wird gesungen – wie für die Hirten in Bethlehem. In Lesung und Evangelium wird die Besiegung des Todes durch die Auferstehung Christi verkündet. Denn das ist der ganze Sinn: »Wir werden mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein« (Römer 6,5). Zeuge dafür ist die Osterkerze, die zum Gesang des 14 apostel 1/2011 Osterlobes auf einem besonderen Leuchter im Chor ihren Platz findet. Die meisten Riten und Sakramente haben einen vorchristlichen Ursprung und sind dann in der Kirche auf Christus ausgerichtet worden. So auch die Osterkerze. Wahrscheinlich ist ihr heidnisches Vorbild ein Brandopfer, das man einer Gottheit zum Auftakt einer großen Feier darbrachte. Das olympische Feuer erinnert noch daran. Bei der jüdischen Pessach-Feier gab es eine ähnliche Liturgie. Der Lobpreis des Exsultet geht auf den mailändischen Schülerkreis des heiligen Ambrosius im 4. Jahrhundert zurück. Die Osterkerze zeigt das heilige Schauspiel von der Errettung des auserwählten Volkes aus dem Roten Meer. Sie führt uns den Weg, den Christus durch das Meer des Leidens in die Freiheit der Auferstehung gegangen ist. Sie begleitet uns durch Dunkel zum Licht. Durch Leid zur Freude. Aus der Gefangenschaft in die Freiheit. Vom Tod zum Leben. Durch das Kreuz zur Auferstehung. Sie gibt Antwort auf die entscheidenden Fragen: Wo kann ich Licht für die dunklen Seiten meines Lebens finden? Wie können wir unsere Welt retten? Wohin geht die Reise? Was kommt am Ende? Die Osterkerze ist das Zeichen für Jesus selbst. Sie wandelt ihre Energie in Licht und Herzenswärme um. Sie leuchtet, indem sie verbrennt. Sie hat einen Ehrenplatz in der Kirche. An ihr soll sich auch unser Leben anstecken, brennen und anderen leuchten. Deshalb wird bei besonderen Gelegenheiten an ihrem Licht das kleine private Licht der Gläubigen entzündet: bei Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Totengedenken. Jedes Mal eine Botschaft der Hoffnung für den, der sehen kann. Die vielleicht nachhaltigste Predigt der Osterkerze ist: Auch die Kleinen können Großes zustande bringen, so wie die Biene das Material für dieses Christuszeichen bereitet. ■ friedhelm geller sscc Geistlicher Wegbegleiter Anregungen für die Monate April, Mai und Juni Spirituelle Impulse der Arnsteiner Patres Mein Herr und König, wer könnte deine Majestät, die du hast, gebührend darstellen! Doch mehr aber erstaunt es, mein Herr, dabei auch deine Demut und Liebe zu sehen, die du einer solchen wie mir erweist. In allem kann man mit dir reden und sprechen, wie es uns gefällt, sobald nur einmal die erste Furcht und Scheu vor deiner Majestät überwunden sind. Wege zum Gebet Gottes Angesicht suchen Beten heißt: sich auf den Weg machen, um »Gottes Angesicht zu suchen« (Psalm 27,8). Wer dazu aufbricht, wird immer wieder auf seine eigene Schwachheit stoßen, und nicht nur auf die eigene Unkonzentriertheit und Zerstreutheit beim Beten selbst, sondern auch auf das eigene Versagen, auf die Begrenztheit des guten Willens und die Brüchigkeit guter Vorsätze. Wer sich auf den Weg des Gebetes macht, kommt an der Wahrheit des eigenen Lebens nicht vorbei. Und wer betet, kommt auch nicht an dem Gesetz des geistlichen Lebens vorbei, dass wir nur über die Erfahrung unserer Schwachheit und Begrenztheit zu Gott finden. In der eigenen Schwachheit erfahren wir, dass Gott Liebe ist, dass er mich liebt und dazu befähigt, auch ihn zu lieben. Darum geht es bei allen tastenden Versuchen, sich Gott im Gebet zu nähern: ihn um seiner selbst willen zu lieben »mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit aller Kraft« (Dt 6,4). Der Weg zum Gebet vollzieht sich deshalb nicht unabhängig von unserer menschlichen Entwicklung und Reifung. Daher wird es immer ein wichtiger Bestandteil meines Gebetes sein, mein eigenes Leben vor Gott zur Sprache zu bringen. Meine Erfahrungen sind der Stoff, aus dem sich das Beten nährt. Unser Beten und Leben dürfen nicht wie zwei getrennte Sphären sein, die nichts miteinander zu tun haben. Beten braucht Bodenhaftung. Wenn mein Leben in meinem Beten zur Sprache kommt, dann wird mein Beten echt und mein Leben bedeutsam vor Gott. Neben meiner Lebenserfahrung ist das Wort Gottes der zweite große Nährstoff meines Betens. Die Heilige Schrift enthält eine Fülle von Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben. Sie ist zugleich das Wort Gottes an die Menschen wie auch deren Versuch, Antwort zu geben mit ihrem Hoffen, Lieben, Vertrauen, Kämpfen und Leiden. Dabei beschreiben das Alte und das Neue Testament einen Weg, auf dem die Jüngeren immer wieder auf (Teresa von Ávila, Vita 37,6) das Zeugnis der Älteren zurückgreifen, es neu hören, neu deuten, in ihrem eigenen Leben wiederfinden und so gleichsam immer wieder aktualisieren. Das Vertrauen des Abraham wird zum Vorbild für Isaak und Jakob. Der Weg dieser Väter des Glaubens lässt das Volk Israel seine ganze Geschichte als Weg Gottes mit seinem Volk verstehen. Der Weg von der Knechtschaft in die Freiheit wird zu der Glaubenserfahrung, mit der das Volk auch seine späteren Wege deutet, mit der auch die Einzelnen ihre Lebensgeschichte verstehen, bis hin zum Begreifen des Lebens und Sterbens Jesu als Weg vom Tod zum Leben. Die Schrift lädt uns ein, das eigene Leben im Licht der Wege Gottes mit den Menschen zu sehen und zu gestalten. Der Weg dazu ist das verweilende Betrachten und Lauschen. Für Ihren geistlichen Weg wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes Segen, Ihr P. Peter Egenolf sscc Impuls für den Monat April Mich vor Gott aussprechen Ein Gebet fängt da an, wo ich beginne, mich loszulassen. Beten ist kein Aufschwung zu besonderer religiöser Leistung. Es beginnt mit der Offenheit und dem Mut, die in dem schlichten Satz liegen: »Herr, da bin ich!« Und dann erzähle ich vor Gott, was mir passiert ist, was mich erwartet, was ich empfinde, was mich beschäftigt, sei es auch noch so abgründig oder banal. Der Betende kann mit allem, restlos mit allem, was ihm begegnet und was in ihm ist, vor Gott kommen. Das Gebet wandelt und verändert, manchmal wie durch Feuer hindurch. Aber alles muss durchs Feuer hindurch: der ganze Mensch, mit seinem Geist und seiner Seele, mit Haut und Knochen, mit dem Erhabensten und dem Erbärmlichsten, mit seinen Sünden, seinen Hoffnungen und seinen gemeinsten und heftigsten Trieben. »Gott will ein leibhaftiges Wesen vor sich sehen, das weinen kann, schreien unter den Wirkungen seiner läuternden Gnade; er will ein Wesen, das um den Wert menschlicher Liebe weiß und die Anziehung des anderen Geschlechts kennt. Er will ein Wesen, das den heftigsten Wunsch verspürt, ihm zu widerstehen, warum nicht? (…) Gott will ein menschliches Wesen vor sich sehen, sonst hätte seine Gnade nichts zu verwandeln; das wirkliche Wesen wäre entwischt.« (Yves Raguin*) Je mehr ich mich selbst wahrnehme und zulasse, desto stärker werde ich Momente meines Lebens entdecken, die mich ganz und gar betreffen: die Undurchschaubarkeit meines eigenen Lebens, die Macht des Bösen im eigenen Herzen, die unabstreifbare Verantwortung in persönlichen Entscheidungen, das Gefühl, ausgenutzt und betrogen zu werden, die Erfahrung plötzlicher Vergebung usw. Beten bringt diese Erfahrungen ins Wort. Beten hilft aber auch, sie überhaupt erst wahrzunehmen. Denn beim Beten stehe ich vor meinem Schöpfer. Beim Beten erst wird mir bewusst, wie bedeutsam, wertvoll, wichtig und ernst mein Leben ist. Beim Beten erkenne ich: Ich bin nicht nur Fragender, ich bin auch Befragter, der selbst nach einer Antwort suchen muss. Die Evangelien zeigen, wie Jesus sich in der Nacht oder früh am Morgen von allen Menschen und Aufgaben in die Einsamkeit zurückzieht, um allein zu sein mit Gott. All sein Reden und Wirken hat hier seine Quelle. Bring ein Stück Wüste in dein Leben, verlass von Zeit zu Zeit die Menschen, such die Einsamkeit, um im Schweigen und anhaltendem Gebet deine Seele zu erneuern! Das ist unentbehrlich … Wenn du das nicht suchst, wenn du das nicht liebst, mach dir keine Illusionen … Nicht allein sein wollen – obwohl man es könnte –, um die innige Nähe Gottes zu kosten, ist ein Zeichen, dass es an dem Grundelement fehlt: an der Liebe. Ohne Liebe aber ist keine Offenbarung möglich. (Carlo Carretto, Wo der Dornbusch brennt, Freiburg, 2. Aufl. 1973) Ich nehme mir eine Wüstenzeit p Die Wüste erscheint in der Bibel als ein Ort, an dem der Mensch vor nichts fliehen kann, nicht vor Gott und nicht vor sich selbst. p Ein Wüstentag im Monat: eine Zeit nur für mich, ohne Arbeit, Zerstreuung, Ablenkung, PC, Radio, Handy, Fernsehen … ein Spaziergang oder Ausflug … eine Zeit für mich vor Gott. * Quellenangabe: Yves Raguin, Wege der Kontemplation in der Begegnung mit China, Einsiedeln 1972, S. 31f. Impuls für den Monat Mai Die Schrift betrachten Herr, ich brauche dich jeden Tag. Gib mir die Klarheit des Gewissens, die dich fühlen und begreifen kann. Meine Ohren sind taub, ich kann deine Stimme nicht vernehmen. Meine Augen sind trüb, ich kann deine Zeichen nicht sehen. Du allein kannst mein Ohr schärfen und meinen Blick klären, mein Herz reinigen und erneuern. Lehre mich zu deinen Füßen sitzen und auf dein Wort hören. Die Berufung der ersten Jünger (Lukas 5,1–11) p Ich versuche beim dritten Schritt, die Geschichte »an mich heranzuziehen«, indem ich mich in meiner Vorstellungskraft in sie hineinbegebe. Ich stelle mir den Schauplatz vor, die Jünger und »höre«, was gesprochen wird. Ich versuche, mich in die verschiedenen Akteure hineinzuversetzen: Jesus, Simon, die Kameraden, das Volk. Was geht jeweils in mir vor? Beten ist sprechen und hören, sich aussprechen vor Gott und hören, was Gott mir sagen will. Der Weg zum Hören ist die Betrachtung der Heiligen Schrift. Dazu kann man sich vornehmen, ein Evangelium oder einen Apostelbrief abschnittweise oder auch jeweils die Schrifttexte zu lesen, die nach der Leseordnung für die Sonntagsliturgie vorgesehen sind. Doch wie »betrachte« ich solch einen Text? Ich benötige eine gewisse Vorbereitung, Zeit und Geduld, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. 1. Schritt: Sich vorbereiten Der Kirchenvater Ephraem der Syrer vergleicht die Vorübungen zum Gebet mit den Vorbereitungen der Perlenfischer. Sie verlassen ihre Hütten und gehen an den Strand. Dort legen sie alles ab, was sie am Tauchen hindert. Dann fetten sie sich ein und suchen sich einen geeigneten Stein, mit dem sie abtauchen können, um zu den Perlen zu gelangen. So muss ich alles hinter mir lassen und ablegen, was mich daran hindert, mit Leib und Seele »da zu sein«, wenn ich einen biblischen Text betrachten möchte. Der Sinn aller Betrachtung liegt darin, auf Gott zu hören, Jesus besser zu verstehen und ihm ähnlicher zu werden. Diese Absicht formuliere ich in einem Vorbereitungsgebet (siehe auch das nebenstehende Gebet). 2. Schritt: Lesen Ich lese den Text langsam und mehrmals durch. Dabei bitte ich den Herrn, dass er mir den Text erschließe, damit ich höre und mit dem Herzen begreife, was er mir sagen will. 3. Schritt: Suchen und Entdecken Ich suche das Gelesene ab, bis ich auf etwas stoße, was mich betrifft oder betroffen macht, zum Beispiel ein Wort oder eine Einsicht, die mich stärkt oder befreit, die mich schmerzt, beunruhigt oder tröstet. 4. Schritt: Verweilen Ich verweile bei dem, was mich bewegt. Ich nehme wahr und lasse zu, was das Wort in mir auslöst. Dann suche ich weiter im Acker des Textes. 5. Schritt: Beenden Ich setze einen ausdrücklichen Abschluss mit einem persönlich formulierten Gebet, in dem ich mit meiner Antwort ausdrücke, was mich bewegt hat (Lob, Dank, Bitte, Klage), mit einer Gebetsformel (zum Beispiel »Ehre sei dem Vater …«) und einer Verneigung. 6. Schritt: Vertiefen Es empfiehlt sich, nach der Betrachtung eine Weile darüber nachzudenken, was sich im Verlauf der Gebetszeit getan oder auch nicht getan hat. Welches Gefühl, welcher Gedanke, welches Wort oder welche Frage hat mich bewegt? Was habe ich entdeckt? Ich kann das ruhig aufschreiben. Bei der nächsten Betrachtung kann es helfen. Impuls für den Monat Juni Das Wort in sich aufnehmen Herr, du allein weißt, wie mein Leben gelingen kann. Herr, öffne mir die Augen, mach weit meinen Blick und mein Interesse, damit ich sehen kann, was ich noch nicht erkenne. Herr, gib mir ein großzügiges Herz, das sich deinem Wort überlässt und zu tun wagt, was es noch nicht getan hat. Herr, ich weiß, dass ich nur lebe, wenn ich mich von dir rufen und verändern lasse. Amen. Das Evangelium ist das Buch des Lebens unseres Herrn, und es ist da, das Buch unseres Lebens zu werden … Es ist nicht da, um gelesen, sondern um in uns aufgenommen zu werden. Die Worte des Evangeliums werden erlitten und ausgehalten. Die Worte des Evangeliums durchwalken uns, verändern uns, bis sie uns gleichsam in sich einverleiben. (Madeleine Delbrêl, Gebet in einem weltlichen Leben, Einsiedeln 1974, S. 17) Betrachtung der Heilung des Bartimäus (Markus 10,46–52) p Ich stelle mir die Szenerie genau vor und versuche, mich nacheinander in die Personen einzufühlen und hineinzubegeben in den Blinden, in die Jünger, in die Menge, in Jesus. Was ist »meine« Rolle? Was löst sie in mir aus? Welche Veränderung nehme ich wahr? p Ich halte meine Gedanken fest in einem Gebet, das sich an Jesus richtet. Wer in der Schrift liest, wird sich zwangsläufig eine Menge Fragen stellen: Wie ist dies oder jenes zu verstehen? Kann das wirklich so gewesen sein? Was hat der Autor damals wirklich gemeint? Ab und an tauchen auch schwer zu verstehende oder gar provozierende Texte auf, bei denen man sich fragt: Das soll Gottes Wort sein? Gottes Wort spricht durch das Wort von Menschen, das über mehr als tausend Jahre hinweg aufgezeichnet wurde, und zwar in allen möglichen literarischen Formen. In der Bibel finden sich Fabeln, Mythen, Gebete, Gesetze, Gleichnisse, Liebeslieder, Erzählungen, Gedichte, Briefe, Weisheitsworte, und all dies immer in der Sprache und Ausdrucksweise einer bestimmten Zeit und Kultur, die für uns meist sehr fremd ist. Kein Wunder also, wenn uns als Menschen des 21. Jahrhunderts eine Menge Fragen kommen. Die Bibelwissenschaft hat auch zahlreiche Methoden entwickelt, um zu klären, wie die Texte entstanden sind, wie sie überliefert und verändert wurden, welchen geschichtlichen Hintergrund sie haben usw. All diesen Fragen nachzugehen, kann interessant und zum Teil auch notwendig sein, um die Schriften richtig einzuordnen und zu verstehen. Dennoch: Die geistliche Schriftbetrachtung ist eine eigene Form der Schriftlesung, bei der es immer um die Frage geht, was Gott mir mit einem bestimmten Wort sagen will. Weder sollte ich mich ablenken lassen von historischen und literarischen Fragen, noch sollte ich denken, dass ich die Schrift ja doch nicht verstehen kann, weil ich kein Experte bin. In der betenden Betrachtung der Schrift geht es um das Wort Gottes für mein Leben! Und da bin ich der wichtigste Experte, vielleicht sogar der einzige! Daher sollte man bestimmte Fragen des Textverständnisses schnell klären, sich aber nicht lange dabei aufhalten. In der Regel genügen die Anmerkungen und Einführungstexte in der Einheitsübersetzung oder der Jerusalemer Bibel. Neben historischen und anderen wissenschaftlichen Zugängen zur Bibel geht es bei der geistlichen Schriftlesung um Ehrfurcht, Begegnung und Entschiedenheit: p Ich bemühe mich um eine Haltung der Ehrfurcht. Gott ist der eigentlich Handelnde, der mir den Sinn des Textes erschließt. p Ich will dem begegnen, der sich im Wort der Schrift zu erkennen gibt. So spüre ich, wo ich mit dem Weg Jesu übereinstimme und wo ich mich ihm verweigere. p Mein Bemühen um das Wort Gottes kann nur dann gelingen, wenn ich von vorneherein entschlossen bin, auch zu tun, was ich erkenne. Wer erst im Nachhinein entscheiden möchte, ob er das, was er für sich als richtig erkannt hat, auch leben will, verbaut sich von vorneherein den Weg, das Wort Gottes tiefer zu erfassen und von ihm ergriffen zu werden. nachrichten 50 Jahre Profess Pater Wolfgang Nick sscc Pater Wolfgang Nick, 1939 in Koblenz Moselweiß geboren, war Schüler des Johannesgymnasiums in Lahnstein. 1960 begann er sein Noviziat in Burgbrohl und legte am 6. April 1961 in Kloster Arnstein seine ersten Gelübde ab. Nach den Studien in Simpelveld wurde er dort am 30. Juli 1966 zum Priester geweiht. Pater Wolfgang war zunächst in der Wallfahrtsseelsorge in Kloster Arnstein tätig, ab 1968 auch in der Pfarrseelsorge. Nach vier Jahren als Kaplan in Arnstein wurde er dann an die Herz-Jesu-Sühnekirche in Wien versetzt. Dort war P. Wolfgang wiederum als Kaplan und Dekanatsjugendseelsorger eingesetzt. 1982 wurde er zum Pfarrer ernannt, und 1988 berief ihn der Erzbischof von Wien zum Geistlichen Rat. 1993 kehrte P. Wolfgang nach Deutschland zurück, wurde Pfarrer von Nassau und Winden. Seit 2001 ist er Pfarrer in Niederzissen und auch verantwortlich für die Pfarreien Oberzissen, Wehr und Königsfeld. Im Bistum Trier hat er Leitungsaufgaben im Dekanat inne als Dechant des Dekanates Brohltal und als stellvertretender Dechant des Dekanates Remagen-Brohltal. Inmitten aller Veränderungen ist Pater Wolfgang immer ein zuverlässiger Diener seiner Gemeinden und zudem seit 2003 auch Superior für die Regionalkommunität Brohltal. Pater Egon Wagner sscc Pater Egon Wagner wurde 1937 in Beckingen an der Saar geboren. Er besuchte das Johannesgymnasium in Lahnstein, trat nach dem Abitur in das Noviziat ein und legte am 6. April 1961 in Arnstein die ersten Gelübde ab. Nach der Priesterweihe ging er 1967 nach Lahnstein, wo er 19 Jahre als Ökonom tätig war. Nach einem Sabbatjahr wechselte Pater Egon ins Brohltal, wo er von 1986 an wirkte. Zunächst als Pfarrer von Kempenich, ab 2001 als Pfarrer der Seelsorgeeinheit Kempenich-Rieden. Er war Dechant und danach Definitor des Dekanates Brohltal. Zwischenzeitlich verwaltete er die Pfarreien Burgbrohl mit Kell und Wassenach, Königsfeld, Oberzissen und Rieden. P. Egon war der erste Superior der Regionalkommunität Brohltal. Im März 2004 beriefen ihn seine Vorgesetzten als Wallfahrtsleiter und Superior nach Kloster Arnstein. In dieser Zeit hat er der Gemeinschaft auch viele Dienste in Kommissionen und im Provinzrat geleistet. Seit April 2009 wirkt Pater Egon als Seelsorger im Marienkrankenhaus in Nassau. 10. Mai – Fest des heiligen Damian Gedenken Zum zweiten Mal feiern wir das Fest des heiligen Pater Damian. Das erste Fest nach der Heiligsprechung am 11. Oktober 2009 war ein großes, aber jetzt droht die Gefahr des Vergessens und Aufschiebens bis zum zehnten, fünfzigsten oder hundertsten Jubiläum. Der Mann von Molokai verdient es, seiner auch heute zu gedenken. Danken Gedenken heißt auch danken. Pater Damian ist ein Geschenk Gottes an uns. In ihm erkennen wir, was ein Mensch vermag, wenn er von der Kraft des Evangeliums durchdrungen ist. Denken Heilige wollen nicht verehrt werden, sie wollen, dass wir Menschen ihr Werk weiterführen. Pater Damian holte die Aussätzigen in die Gemeinschaft zurück. Denken wir daran, dass es auch heute noch unendlich viele »ausgesetzte« Menschen gibt, die darauf warten, dass einer kommt und es macht wie Pater Damian. Alle Kommunitäten der deutschen Ordensprovinz werden Gottesdienste und Veranstaltungen anbieten. Nähere Informationen finden Sie in den einzelnen Häusern und unter www.arnsteiner-patres.de Ihnen hat die Zeitschrift »Apostel« gefallen? Sie erscheint viermal jährlich und wird kostenlos abgegeben. Wenn Sie die Zeitschrift regelmäßig zugesandt bekommen möchten, dann melden Sie sich bitte bei: Provinzialat der Arnsteiner Patres e. V. Johannes-straße 36 A 56112 Lahnstein Falls Sie die Arbeit der Arnsteiner Patres in Deutschland und weltweit unterstützen möchten, sind uns Ihre Spenden willkommen. Sie können auch über ein Förderabo einen Beitrag für die Herausgabe der Zeitschrift leisten: Bitte überweisen Sie unter Angabe des Verwendungszweckes »Arnsteiner Patres« auf das Konto: Arnsteiner Patres e. V. ■ Kontonummer 656 120 010 ■ bei der Nassauischen Sparkasse Lahnstein (BLZ 510 500 15) 4/2010 1/2011 apostel 19 Ich will … Vater, ich will, dass Dein Wille geschieht. Ich möchte mein Leben dafür einsetzen, dass wir Menschen lieben, trösten, schützen und Versöhnung schaffen. Lass Deinen Willen geschehen, und nimm mein Herz als ein Werkzeug Deines Willens! Bruder Josef Huke sscc, Lahnstein Einer von 800 Brüdern der weltweiten Familie sscc Unsere Niederlassungen in Deutschland Arnsteiner Patres Bohlweg 46 ■ 48147 Münster Tel.: 02 51 48 25 33 ■ Fax: 02 51 4 82 53 59 E-Mail: Muenster@sscc.de Arnsteiner Patres Marktstraße 13 ■ 56746 Kempenich Tel.: 0 26 55 10 84 ■ Fax: 0 26 55 24 18 E-Mail: Brohltal@sscc.de Arnsteiner Patres Jesuitenplatz 4 ■ 56068 Koblenz Tel.: 02 61 9 12 63-0 E-Mail: Koblenz@sscc.de Arnsteiner Patres Kardinal-von-Galen-Straße 3 ■ 59368 Werne Tel.: 0 23 89 97 00 ■ Fax: 0 23 89 97 01 11 E-Mail: Werne@sscc.de Arnsteiner Patres, Provinzialat Johannesstraße 36 A ■ 56112 Lahnstein Tel.: 0 26 21 9 68 80 ■ Fax: 0 26 21 96 88 30 E-Mail: Provinzialat@sscc.de Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen Immenstädter Straße 50 ■ 87435 Kempten Tel.: 08 31 5 12 36 80 ■ Fax: 08 31 51 23 68 19 Kloster Arnstein 56379 Obernhof/Lahn Tel.: 0 26 04 9 70 40 ■ Fax: 0 26 04 16 06 E-Mail: KlosterArnstein@sscc.de Niederlassung der Deutschen Provinz in Belgien: Pères des Sacrés Coeurs Rue de Marchienne, 12 ■ B-6000 Charleroi Tel.: 00 32 71 32 39 97 ■ Fax: 00 32 71 32 81 78 www.arnsteiner-patres.de