21
1/2018
apostel
Seite der Armen, das ist der Platz der Kirche!
Ja, Leiden und der Umgang damit
sind gerade auch in Lateinamerika
und in der Befreiungstheologie
eine zentrale Fragestellung. Und
das gilt auch für die politische
Theologie, die ich hier in Deutsch-
land kennengelernt habe. Mit mei-
ner Arbeit möchte ich auch zu
einer Weiterentwicklung der po-
litischen Theologie beitragen.
Sie werden nach Ihrer Heimkehr
Aufgaben in der mexikanischen
SSCC-Provinz übernehmen.
Wie können wir uns Ihre
Heimat provinz vorstellen?
Wir sind derzeit 20 Mitbrüder und
haben schon seit Längerem keinen
Nachwuchs mehr. Damit umzuge-
hen müssen wir noch lernen.
In welchen Arbeitsfeldern ist die
mexikanische Provinz tätig?
Wir sind an drei Orten präsent. In
Mexico City leben ungefähr 70 %
der Brüder. Die beiden anderen
Konvente befinden sich in Guada-
lajara etwas nordwestlich und im
Bundesstaat Puebla, der etwas
südöstlich der Hauptstadt liegt.
Die meisten Brüder sind in Pfar-
reien tätig.
Gibt es einen Schwesternzweig
der Familie SSCC in Mexiko?
Ja, es gibt eine internationale Kom-
munität von Schwestern in Hidal-
go, die ein sogenanntes Migranten-
haus betreuen. Das ist eine sehr
interessante, sehr prophetische Auf-
gabe. Sie unterstützen dort Migran-
ten, die oft gar nichts mehr besitzen,
mit Kleidern und Nahrung. Da die
Schleuser solche Unterstützung
nicht wollen, werden die Schwes-
tern häufig bedroht, aber sie lassen
sich nicht davon abhalten.
Ich könnte mir gut vorstellen, in
diesem Projekt mitzuarbeiten, weiß
aber noch nicht, was die Provinz
generell mit mir vorhat. Ich weiß
nur, dass ich in einer Pfarrei tätig
sein soll. Besonders gerne würde
ich in der Weiterbildung von Ka-
techeten mitwirken und könnte
mir vorstellen, parallel dazu an
einer Theologischen Hochschule
zu unterrichten. Das geht in Me-
xiko gut, da Professoren nur eini-
ge Stunden lehren und darüber
hinaus in der Pastoral arbeiten. Ich
würde dies gerne verbinden, da
Theologie betreiben für mich
immer auch Reflexion über die
Praxis ist. Wenn die Praxis fehlt,
dann frage ich mich, was das für
die Theologie bedeutet …
Mexiko erscheint in unseren Me-
dien immer mehr als ein Land,
das von unvorstellbarer Gewalt
geprägt ist, von Korruption und
einem entgrenzten Drogenkrieg.
Ist dieses Bild zutreffend?
Ich glaube leider, dass dieses Bild
tatsächlich zutrifft. Seriöse Zeitun-
gen sprechen von 170.000 Toten
und 30.000 Verschwundenen in
den letzten 10 Jahren. Das sind
Opfer der Drogenkartelle, aber auch
von Gewalt exzessen von Polizei
und Militär: eine Situation, unter
der das ganze Land leidet. Es exis-
tiert eine Kultur der Gewalt, eine
alltägliche Gewalt, die auch viel
Misstrauen unter Nachbarn – be-
sonders in den großen Städten –
geschürt hat. Das ist so schrecklich,
weil ich auch an unsere Jugendli-
chen und Kinder denke, die immer
wieder solche Dinge erleben muss-
ten: Tote, die auf der Straße liegen
gelassen oder kopflos auf einer Brü-
cke aufgehängt wurden. Das Volk
ist leider schutzlos. Warum? Weil
auf der einen Seite mächtige und
reiche Drogenkartelle stehen und
auf der anderen Seite eine Regie-
rung, die korrupt und ahnungslos
ist. Es wird nicht analysiert, worin
die grundlegenden Probleme für
unsere Situation liegen, sondern
nur die Gewaltspirale weitergetrie-
ben. Wenn man genauer nach-
forscht, dann erfährt man, dass zum
Beispiel der Oberbürgermeister von
einem Drogenboss bestochen wird.
Und der Polizeipräsident darf na
-
türlich nicht gegen den Bürgermeis-
ter handeln, also macht er mit und
lässt sich auch bestechen.
Mexikanisches Wandgemälde © Papa Bravo – stock.adobe.com