Karwoche und Ostern

Weltweit eine Zeit kraftvoller Rituale

Die Fastenzeit, die Karwoche und Ostern sind die Zeiten im Kirchenjahr, in der besonders viele Rituale und Gebräuche vollzogen werden. Anders als Weihnachten ist Ostern ein beweglicher Feiertag. Das Fest der Auferstehung Jesu findet immer an dem Sonntag statt, der dem ersten Vollmond nach dem Frühlingsanfang am 21. März folgt. Auf Hochfeste bereiten sich die Menschen von alters her vor mit Fastenzeiten. Vor Ostern dauert sie 40 Tage und nimmt Bezug auf die 40-tägigen Fastenzeit Jesu, mit der er sich in der Wüste auf seine Sendung vorbereitet hat. Sonntage werden ausgespart. 40 Tage stehen für einen Zeitraum, der Wende und Neubeginn ermöglicht. Die Osterzeit findet nach 50 Tagen an Pfingsten ihren Abschluss. Allein schon die Anzahl der Tage signalisierte früher den mit Zahlenmystik Vertrauten die besondere Heiligkeit dieser Zeit.

Die orthodoxen Kirchen feiern Ostern nach dem Julianischen Kalender, das heißt, der Frühlingsbeginn wird 13 Tage später als im Gregorianischen Kalender gefeiert. Somit verschiebt sich Ostern für orthodoxe Christinnen und Christen um diesen Zeitraum.

Obwohl bei der Berechnung des Termins des Osterfestes der Frühlingsanfang eine zentrale Rolle spielt, ist nicht ein germanisches Frühlingsfest, sondern das jüdische Pessachfest der Vorläufer unseres Osterfestes. An dem Fest wird in jüdischen Familien traditionell ein Lamm geschlachtet, um an den Auszug der Juden aus Ägypten zu erinnern. Insbesondere unsere Osternachtsliturgie nimmt darauf Bezug.

Die dichteste Festzeit des Jahres

Am ersten Tag der Fastenzeit, am Aschermittwoch, wird durch den Ritus der Aschenauflegung ein Zeichen der Bekehrung und Buße vollzogen und an die eigene Sterblichkeit erinnert. Besonders für Kinder ist dies ein eindrückliches Zeichen. Ein Erlebnis, an das sie sich lebenslang erinnern werden, ist sicher das Binden der Palmzweige am letzten Sonntag der Fastenzeit und deren Segnung. Die Karwoche als eine besonders dichte Zeit voller zeichenhafter, bewegender Handlungen findet in der Osternacht ihren Höhepunkt. Die Fußwaschung und das Abdecken des Altars am Gründonnerstag, das Schweigen der Orgel am Karfreitag, das Beten und Wachehalten in der Osternacht, das Osterfeuer, die besonders gestaltete Osterkerze, das Hereintragen des Lichtes, das nach und nach die Kirche erhellt, das Weihen des Weih- und Taufwassers … Dies sind alles feierliche und sehr eindrückliche Rituale.

In der internationalen SSCC-Kommunität in Berlin, zu der ich gehöre, haben wir Brüder uns darüber unterhalten, wie diese besondere Zeit des Jahres in den Herkunftsregionen der Mitglieder unserer Kommunität gefeiert wird. Überall beginnt die Karwoche mit dem Palmsonntag und erreicht Ostern ihr Ziel. Zahlreiche Rituale verlebendigen das Geschehen jener Tage, egal in welchem Teil der Welt Christinnen und Christen die Karwoche und Ostern feiern. Überall folgt dem glanzvollen Einzug Jesu in Jerusalem das Leiden und Sterben auf Golgatha. Am Ende aber feiern wir alle in jubelnder Freude die Auferstehung unseres Herrn: Halleluja, Jesus lebt!                                                       

Das österliche Triduum – die drei Tage vom Gründonnerstag bis Karsamstag – feiern Christinnen und Christen – ob katholisch, protestantisch, armenisch, koptisch oder orthodox – in aller Welt  – wenn auch auf verschiedene Weise zum Dank und zur Ehre Gottes. Aber auch innerhalb der katholischen Kirche mit ihrer einheitlichen „römischen“ Liturgie gibt es durch verschiedene Kulturen und Völker Bräuche, die das Geheimnis des Leidens und Sterbens Jesu und seiner unfassbaren Auferstehung aus ihrer Lebenswirklichkeit dankbar betrachten, erleben und vergegenwärtigen. Sie können uns anregen, unser Herz, unseren Verstand und unsere Sinne zu öffnen, damit wir den Sinn und die Größe des Geschehens mehr und mehr erfassen und für unser Leben fruchtbar machen können. Denn das Geschenk des Glaubens an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn gilt es nicht nur in den österlichen Tagen zu preisen, sondern ein Leben lang mit unserer ganzen Existenz. Wir sind berufen und gesandt, Gottes Reich, Gottes Liebe in unsere Welt zu tragen. Als Licht und Sauerteig für die Welt sollen wir helfen, die Welt zu verändern, das Böse zu besiegen, Geschwisterlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und die Freude an Gott in den Ackerboden der Erde, in die Herzen der Menschen zu säen.

Harald Adler SSCC