Synodaler Weg

Wirkliche Reformen oder Beruhigungspille?

Im Frühjahr 2019 beschloss die Voll­versammlung der Bischofs­konferenz »einen verbindlichen Synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen (…), und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verant­wortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein.« Gemeinsam mit dem ZdK wurden vier zentrale Themen­bereiche festgelegt: »Macht, Partizipation und Gewalten­teilung«, »Sexualmoral«, »Priesterliche Lebensform« und »Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche«.

Kurzer Rückblick

Im Herbst 2018 hatte die sogenannte MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch im Bereich der katholischen Kirche deutlich gemacht, dass es keineswegs um Einzelfälle ging. In großer Zahl waren Verbrechen an Kindern und Jugendlichen durch geweihte Amtsträger der katholischen Kirche verübt worden. Jahrzehntelang stand der Schutz der Institution über dem Schutz der Opfer. Zudem war schon zuvor un­übersehbar geworden, dass die katholische Kirche zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz verloren hatte. Das Ausbleiben der überfälligen Reformen hatte zu einer massiven Krise der katholischen Kirche geführt. Die Austrittszahlen erreichten ständig neue Rekorde, und die Entfremdung zwischen Institution und Gläubigen war bedenklich geworden. Die Mehrheit der Bischöfe zog hieraus die Konsequenz: Wir müssen und wollen die Ursachen dieser Krise gemeinsam mit Laienvertreter:innen breit diskutieren, Lösungen erarbeiten und notwendige Veränderungen realisieren, damit die Kirche in Deutschland zukunftsfähig wird.  

Zwischenstand

Nach Erreichen der Hälfte der Wegstrecke des Synodalen Weges – pandemiebedingt wurde der Zeitraum bis März 2023 verlängert – ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Bezüglich der Missbrauchsthematik hat sich einiges verbessert. Die Opfer finden endlich mehr Gehör, bei der Prävention ist sehr vieles verbessert worden – oft mehr als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Die systemischen Ursachen des Missbrauchs sind erkannt. Auch in anderen Themenbereichen ist Aufbruch spürbar. Die zumeist sehr qualifizierten Beschlussvorlagen aus den einzelnen Foren erhielten bei der Synodalversammlung Anfang Oktober 2021 eine Zustimmung von 72 bis 86 Prozent. Michael Schrom, Redakteur bei »Publik Forum« resümierte  zutreffend: »Diese Reformagenda würde, wenn sie denn umgesetzt wird, die katholische Kirche in Deutschland strukturell und lehrmäßig verändern (…), die katholische Kirche in Deutschland würde demokratischer, transparenter und geschlechtergerechter  (…), und die Beschlussvorlagen sind anschlussfähig an das Lebensgefühl und das Rechtsempfinden heutiger Katholikinnen und Katholiken“ (Pufo Nr. 19, 2021).

Auch die Äußerungen des Vorsitzenden der DBK, Bischof Dr. Georg Bätzing, erwecken den Eindruck, dass mit dem Synodalen Weg grundlegende Veränderungen eingeläutet werden sollen. Im Interview mit dem »Stern« schloss er am 15. Dezember selbst die Priesterweihe für Frauen nicht aus. Und gegenüber dem Kölner Domradio formuliert er einen Tag später: »Es braucht diesen Perspektivwechsel. Nicht ›Was wird aus uns?‹, sondern ›Für wen sind wir da?‹ (…) Ich halte die Frauenfrage in der Kirche für die entscheidende Zukunftsfrage. (…) Ich glaube, dass wir hier die Argumente für ein Priesteramt, das durchaus mit der Ehe verbunden sein kann, stark machen.«

Gegenwärtig ist von deutschen Bischöfen das zu hören, was sich viele Katholikinnen und Katholiken in Deutschland schon seit mindestens 50 Jahren von ihrer Kirche wünschen. Doch mittlerweile sind viele gegangen, haben ihr Engagement aufgegeben, erwarten nichts mehr. Und es ist schwer vorauszusagen, was passiert, wenn eine Sperrminorität von Bischöfen (33 Prozent) am Ende die Beschlüsse ablehnt, eine Reihe von Diözesanbischöfen sie in ihren Diözesen nicht umsetzen oder Rom sie nicht einmal auf der weltweiten Synode diskutieren lässt.

Nicht zu übersehen ist zudem eine traditionsverhaftete Minderheit – nicht nur unter Bischöfen und Priestern, auch im Gottesvolk –, die Angst vor jedweder Veränderung hat. In einer Welt, in der sich alles schnell verändert, soll es wenigstens in der Kirche bleiben, wie es schon immer war. Jene glauben, dass Veränderung nur Beliebigkeit erzeugt und ein verhängnisvolles Hinterherlaufen hinter dem Zeitgeist sei. Michael Schrom formuliert ihr Selbstverständnis treffend: »Nicht wir haben den Kontakt zur Gesellschaft verloren, sondern die Gesellschaft den Kontakt zur Wahrheit, für die wir einstehen.«

Ausblick

Es bleibt die Hoffnung, dass der Synodale Weg weitergeht und am Ende gute theologische Papiere und Beschlüsse stehen, die möglichst viele mitnehmen, vom Vertrauen in die Weisheit des Volkes Gottes durchdrungen sind und sich weiter mutig den Fragen und Krisen unserer Zeit – sprich der Wirklichkeit – stellen. Danach wird sich zeigen, ob Papst Franziskus all dem, was in der deutschen katholischen Kirche passiert, ein römisches Stoppschild entgegenstellt, oder ob er zu seiner Aufforderung an die Bischöfe steht, mutiger zu sein und Veränderungen in ihrem Bereich auf den Weg zu bringen.

Autor: Thomas Meinhardt (Redakteur des Apostels)