Apostel
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Weitere Themen
Zeitschrift der Arnsteiner Patres Ausgabe 2/2018
Geistlicher Wegbegleiter
»Die Welt ist Gottes so voll.«
Rückblick auf die Geschichte
von Kloster Arnstein – Teil 2
Aus welcher
leben wir?
Hoffnung
Impressum Apostel (ISSN 1611-0765)
Herausgeber: Provinzialat der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens (Arnsteiner Patres e. V.) • Kardinal-von-Galen- Straße 3 • 59368 Werne
Telefon: 0 23 89 97 01 50 • Fax: 0 23 89 97 01 27 • E-Mail: provinzialat@sscc.de • Internet: www.arnsteiner-patres.de
SSCC ist die Abkürzung der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen, in Deutschland als Arnsteiner Patres bekannt.
Redaktion: Heinz Josef Catrein SSCC (verantw.) • Kerstin Meinhardt • Thomas Meinhardt • Ludger Widmaier SSCC
Weitere Mitarbeitende dieser Ausgabe: Manfred Kollig SSCC, Berlin • Hans-Ulrich Willms SSCC, Münster
Verlag: Meinhardt • Magdeburgstraße 11 • 65510 Idstein • Tel.: 0 61 26 9 53 63-0 • Fax: 0 61 26 9 53 63-11 • E-Mail: info@meinhardt.info • Internet: www.meinhardt.info
Erscheinungsort: Werne Auflage: 5.100 Exemplare Papier: 100 % Recyclingpapier Umschlag: Titel: © ipopba – iStock.com; Rückseite: © Manfred Kollig SSCC
Bildnachweise: Auf den Doppelseiten, auf denen die Abbildungen Verwendung finden; Bilder ohne Nachweis: Archive der Ordensgemeinschaft und der Firma Meinhardt
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung von Herausgeber und Redaktion wieder. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos
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Pater Martin Königstein zum
neuen Provinzial gewählt
Werne: Am 5. April hat das Pro-
vinzkapitel der Arnsteiner Patres
turnusgemäß eine neue Provinz-
leitung gewählt. Pater Martin
Königstein war bisher Stellver-
treter des Provinzials und Supe-
rior des Konventes der Arnstei-
ner Patres an der Citykirche in
Koblenz. Zuvor lebte und wirkte
er viele Jahre in Chile. In den
Rat und damit in die Provinzlei-
tung wählte das Kapitel zudem
den bisherigen Provinzial Pater Heinz Josef Catrein,
Pater Arne Marco Kirsebom, Pfarrer in Norwegen,
und Pater Manfred Kollig, Generalvikar im Erzbis-
tum Berlin.
Neben den Wahlen wurde auf dem Kapitel vor
allem über die geistliche Ausrichtung der Ordens-
gemeinschaft gesprochen, über die aktuelle Lage
der Provinz diskutiert und darüber, was notwendig
ist, um unserer Sendung in Deutschland gerecht
zu werden. Aus dieser Reflexion entstand das ge-
meinsame Grundsatzdokument »Unsere Hoffnung«,
das wir in dieser Ausgabe vorstellen.
Viel diskutiert wurde auch über die Zeit nach dem
Wegzug von Kloster Arnstein. Die »Familie SSCC«
soll nicht alleingelassen werden. Deshalb beschloss
das Kapitel eine Arbeitsgruppe aus Mitbrüdern und
Laien einzurichten, die unser Charisma und unsere
Spiritualität in zeitgemäßer Form vorstellt, Gottes-
dienste, Wallfahrten, Einkehrtage und andere religiöse
Veranstaltungen anbietet. (Näheres hierzu findet
sich auf S. 20 und folgende)
Oasentag in Kloster Arnstein
»Der Herr segne und behüte dich« lautet das Thema
am 8. September von 9.30 bis 16.30 Uhr.
Referierende: Theresa Zimmer, Pater Bernhard
Borne feld SSCC, Pater Peter Harr SSCC
Anmeldung bitte bis zum 29. August:
Kloster Arnstein, 56379 Obernhof (Lahn), Telefon:
0 26 04 9 70 40, E-Mail: kloster.arnstein@sscc.de
Monatliche Treffen in Münster
Geistliche Impulse, Meditation und Stille bilden
den Schwerpunkt der Früh- und Spätschichten, zu
denen alle Interessierten herzlich willkommen sind.
Anschließend lädt die Kommunität zum Zusammen-
sein ein.
Die nächste Frühschicht findet am Montag, dem 9. Juli
um 6.45 Uhr; die nächste Spätschicht am Donners-
tag, dem 12. Juli um 19.00 Uhr statt. Am 12. Juli
laden wir anschließend herzlich zum Sommer fest ein!
Ort: Arnsteiner Patres, Bohlweg 46, 48147 Münster,
Telefon: 02 51 48 25 33
Weitere Veranstaltungshinweise, Nachrichten und unsere wöchentlichen Impulse: www.arnsteiner-patres.de
Sonnenanbeter
Jetzt ist sie da, die Zeit der Sonnenanbeterinnen und -anbeter. Sie
ziehen hinaus ins Grüne, und das Zeremoniell beginnt: Der Rund-
umblick, um zu sehen, wer in der Nähe ist; das Ausbreiten einer
bunten Decke, das Ablegen der Kleidung bis auf einen spärlichen
Restbestand; das Hervorkramen der Sonnenbrille und das Ein-
cremen mit Sonnenmilch. Es ist fast schon eine kleine Liturgie.
So liegt man dann in der Sonne, fühlt, wie der Körper die Wärme
in sich hineinlässt, wie Leib und Seele entspannen – ja, bis zu dem
Augenblick, in dem eine winzige Ameise sich erdreistet, das
menschliche Riesengebirge zu erklimmen, und an der Ferse be-
ginnt. Nichts ist eben vollkommen!
Die modernen Sonnenanbeterinnen und -anbeter denken bei ihrem
sorgfältig vorbereiteten Sonnenbad wahrscheinlich an alles andere
als an Gott. Doch ohne es zu wissen, haben sie sich eingereiht in
die riesige Schar derjenigen, für die die Sonne etwas so Wichtiges
war, dass man ihr göttliche Ehre erwies. Steinzeitliche Höhlen- und
Felszeichnungen zeigen bereits Menschen, die mit erhobenen
Armen vor der Sonne tanzen, Ägypten verehrte den Sonnengott Re,
in der Kunst der Germanen und Kelten war das Sonnenrad ein be-
liebtes Motiv. Das Geburtsfest Christi ist die Wintersonnenwende.
Mit ihr kommen das Licht und die Wärme zurück.
Ohne die Sonne gäbe es kein Leben auf Erden. Dies ist eine mensch-
liche Urerkenntnis. In ihrem Glanz fühlen wir uns wohl, aber auch
irgendwie klein und demütig. Welche Macht zeigt sich in diesem
Himmelsgestirn? Es steht für lebensbewahrende Kräfte, die wir mehr
erahnen als begreifen. Für uns Christen ist die Sonne ein wunderba-
res Symbol für Jesus Christus. Die irischen Sonnenkreuze verbinden
das vorchristliche Symbol der Sonne mit dem christlichen Zeichen
unserer Erlösung. Eine geniale Verschmelzung!
Genießen Sie die Sonne des kommenden Sommers; betrachten Sie die
Sonne mit der Haltung eines Menschen, der für das Geheimnis des
Lebens offen ist; denken Sie an Jesus Christus, der sagt: »Ich bin das
Licht der Welt.«
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer –
ohne Ameisen an der Ferse und anderswo.
Pater Heinz Josef Catrein SSCC
Verantwortlicher Redakteur des »Apostel«
© Dirima – iStock.com
Arnsteiner Abende
Pater Alfons Spix SSCC – Tod für Brot
Am Donnerstag, dem 9. August um 20.00 Uhr,
laden wir zu Vortrag und Gespräch in den Pilger-
saal von Kloster Arnstein. Der Diplom-Theologe
Stefan Diefenbach wird über den ehemaligen
Superior von Kloster Arnstein, Pater Alfons
Spix, sprechen, der als Schutzhäftling 29 126 im
KZ Dachau am 9. August 1942 verstarb.
»Wenn die Soldaten …«
Lieder und Texte zum 1. Weltkrieg
Am Donnerstag, dem 13. September um 20.00 Uhr,
laden wir ein in den Pilgersaal von Kloster Arn-
stein. Vom Hurra-Patriotismus der ersten Kriegs-
jahre bis zu Antikriegslyrik und Totenklage reicht
die Bandbreite der überlieferten Lieder. Jürgen
Thelen und Andreas Krall haben daraus einen
musikalisch und emotional abwechslungsreichen
Abend mit Liedern und Texten zusammen gestellt.
Citykirche in Koblenz
»meet up«
Am Sonntagmorgen des 19. August lädt die City-
kirche um 10.30 Uhr zu einem besonderen Be-
gegnungstreffen ein. In lockerer Runde versam-
meln wir uns an Stehtischen in der Kirche und
tauschen uns zu einem biblischen Text mitein-
ander aus. Nach einer kleinen Stärkung und
einer anschließenden Zeit der Stille und des
Gebets sammeln wir die Ideen und Gedanken
ein, die miteinander in den kleinen Stehtisch-
gruppen geteilt wurden.
Ökumenische Bibelabende
Immer dienstags vom 28. August bis zum
25. Septem ber laden wir alle Interessierten
jeweils um 19.00 Uhr in den Gruppenraum der
Citykirche ein.Im Mittelpunkt dieser Bibelwo-
chen, zu denen auch ein Arbeitsbuch und Teil-
nahmehefte angeboten werden, steht in diesem
Jahr das Hohelied der Liebe. Die Abschnitte
aus dem Hohelied werden für fünf Abende fach-
gerecht und verständlich ausgelegt.
Die Abende werden begleitet von:
Dienstag, 28. August: Prädikantin Carmen
Weinowski und Pfarrer Michael Frevel
Dienstag, 4. September: Pfarrer Ralf
Staymann und Pfarrerin Birgit Becker
Dienstag, 11. September: Pfarrer Ralf
Staymann und Pater Xavier Manickathan
Dienstag, 18. September: Dekanatsreferentin
Christiane Schall und Pfarrer Christoph Funke
Dienstag, 25. September: Pfarrer Stephan
Wolff und Pfarrer Christoph Funke
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Aus welcher Hoffnung leben wir?
Wenn Menschen ins Gesprächen kommen
und vom Zustand unserer Gesellschaft
und der Kirche die Rede ist, macht sich
nicht selten ein Gefühl von Mutlosigkeit
breit. Vieles hat sich in den letzten Jahr-
zehnten anders entwickelt als gedacht.
Die eigenen Kräfte schwinden. Die weitere
Entwicklung ist absehbar, sich dagegen
zu stemmen hat keinen Sinn, eine Ver-
änderung zum Guten oder gar Neues ist
nicht in Sicht. Wer jetzt noch Hoffnung
verbreitet, muss ein Narr sein
Auch die Arnsteiner Patres sind dadurch
herausgefordert, dass das, was die Gemein-
schaft und die einzelnen Brüder gedacht,
geglaubt oder gewünscht haben, sich nicht
eingestellt hat und die persönlichen und
gemeinschaftlichen Möglichkeiten in den
letzten vier Jahrzehnten geringer geworden
sind. So ist die Zahl der Mitbrüder von 170
im Jahr 1977 auf 42 im Jahr 2017 gesunken.
Der Altersdurchschnitt hat sich um etwa
20 Jahre erhöht. Die Ordensgemeinschaft
hatte früher zwei große Schulen, an denen
viele Brüder unterrichteten. Heute existie-
ren keine eigenen Werke mehr. In der Seel-
sorge in Pfarreien, in Krankenhäusern und
Altenheimen sind nur noch wenige Brüder
tätig. Eingebettet ist diese Entwicklung in
eine Situation, in der die Kirche in Deutsch-
land ebenfalls an Kraft und Wirkmächtig-
keit verliert. Diese Realität deutlich vor
Augen haben die Brüder beim letzten Pro-
vinzkapitel gemeinsam über die Zukunft
ihrer Gemeinschaft beraten. Die dabei dis-
kutierten Gedanken finden sich in dem
Grundlagenpapier »Unsere Hoffnung«, das
auch für Menschen außerhalb der Ordens-
gemeinschaft Impulse für Auseinanderset-
zung mit der Frage bietet, aus welcher
Hoffnung wir leben. Wir dokumentieren
es hier in Auszügen:
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apostel
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apostel
Dann fordern
wir angesichts
der zu großen
Wünsche und
der eigenen Grenzen von den an-
deren mehr, als sie geben können.
Die Chance, die im Älter- und
Schwächerwerden steckt, ist die
Freiheit, zu der wir berufen sind.
Solange wir auf die eigenen
Fähigkeiten und Möglich-
keiten zurückgreifen (kön-
nen), ist die Gefahr groß,
unser Ego (das individuelle
und das kollektive) in den
Mittelpunkt zu stellen. Wir
vergessen nur allzu leicht, dass
Gott das Wollen und Vollbringen
bewirkt (Phil 2, 13). Wenn wir unse-
rer Stärken beraubt werden, können
wir mit dem Propheten Habakuk
(Hab 3, 17–19) sagen: »Der Feigen-
baum blüht nicht, die Ölbäume
tragen keine Oliven. Im Pferch sind
keine Schafe, und im Stall steht
kein Rind mehr. Der Herr selbst ist
der Grund unserer Freude.«
Der Apostel
Paulus be-
zeugt, dass
er angesichts
der schwin-
denden persönlichen, gemein-
schaftlichen oder auch kirchlichen
Kräfte in dieser Welt nicht vorrangig
seine Hoffnung auf sich, sondern
auf Gott setzt, der von den Toten
auferweckt. Er wird auch in Zukunft
retten (2 Kor 1, 1–12).
Es geht also darum, den Weg der
Verarmung und Entäußerung als
einen Prozess der Reinigung, der
Befreiung und Reifung zu verstehen
und zu erleben: »Der Herr selbst
ist der Grund unserer Freude.« Das
»Der Herr selbst ist der Grund
unserer Freude.«
bedeutet: Unsere Hoffnung grün-
det in ihm und ist nicht die Projek-
tion unserer Wünsche. War es nicht
genau diese Hoffnung, die den
heiligen Damian De Veuster im
Elend der anderen und in der ei-
genen Todesstunde bezeugen ließ,
er sei der glücklichste Missionar
der Welt?
Die historischen und gesellschaft-
lichen Umstände, die wir als Ein-
zelne, als Ordensgemeinschaft,
als Kirche und als Gesellschaft
insgesamt erleben und die uns
schmerzen und verunsichern, sind
die Einladung Gottes, in die Frei-
heit der Kinder Gottes hineinzu-
wachsen. Es geht um den schieren
Glauben ohne das »fromme Ge-
sumse« (so der Theologe Karl Rah-
ner) anderer Zeiten, ohne unsere
Bilder und Vermittlungen. Es geht
um Gott allein, um seiner selbst
willen. Er ist der Grund unserer
Hoffnung, er ist der Inhalt unserer
Freude.
Nehmen wir ernst, was wir in der
sogenannten Anamnese während
der Eucharistiefeier beten: »Dei-
nen Tod, o Herr, verkünden wir
und deine Auferstehung preisen
wir, bis du kommst in Herrlich-
keit.« So dürfen wir mit der Dis-
tanz zu uns selbst, die aus dieser
Hoffnung erwächst, bekennen: Wir
durften noch nie so glücklich sein
wie heute. Denn wir waren noch
nie so nahe an diesem Glück wie
heute.
Aus welcher Hoffnung leben wir?
Insgesamt scheint
man in unserer Ge-
sellschaft mehr und
mehr besorgt, dass
es nicht so gut weitergeht wie bis-
her. Sind das nicht Gründe hoff-
nungslos zu werden? Was bedeu-
tet es, dass wir trotzdem dem Auf-
ruf im 1. Petrusbrief folgen, jedem
Rede und Antwort zu stehen, der
nach der Hoffnung fragt, die uns
erfüllt?
Hoffen bedeutet mehr als sich
etwas wünschen. Hoffen geht auch
über das hinaus, was wir uns aus-
denken und ahnen können. Im
Französischen unterscheiden wir
zwischen »Espoir« und »Espéran-
ce«; zwischen »Ich wünsche mir
etwas, was ich schon mehr oder
weniger kenne« (Espoir) und »Ich
lebe aus der Haltung, dass es etwas
Gutes geben wird, das ich weder
in Worten noch in Bildern beschrei-
ben kann« (Espérance).
Wo wir nur erhoffen, was wir uns
aufgrund unserer Möglichkeiten
und Fähigkeiten,
aufgrund unse-
res materiellen
Reichtums und
unserer Ideen,
aufgrund unseres Könnens und
unseres Enga ge ments leisten kön-
nen, bleiben wir im Rahmen des
Wünschens. Dann riskieren wir,
sobald wir uns ohnmächtig fühlen
oder an unsere Grenzen kommen,
zu resignieren. Dann sind Zukunfts-
angst und Selbstzweifel, die wohl
zu jedem menschlichen Leben da-
zugehören, nicht nur phasenweise
spürbar. Sie machen sich vielmehr
breit und beherrschen unser Fühlen
und Denken, unser Reden, unser
Tun und unser Unterlassen.
»Unsere Hoffnung gründet in ihm
und ist nicht die Projektion unserer
Wünsche.«
»Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort
zu stehen, der von euch Rechenschaft for-
dert über die Hoffnung, die euch erfüllt
(1 Petrus 3,15)
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So weit das Dokument des Provinz-
kapitels, das den Titel trägt »Der
Herr selbst ist der Grund unserer
Freude«.
Es mag sich die Frage aufdrängen,
ob erst ein Nachlassen der Kräfte
oder ein Scheitern all unserer hoch-
fliegenden Wünsche für die Zu-
kunft nötig sind, bevor solche Ein-
sichten reifen. Im Grunde steckt
dahinter die Ostererfahrung: Der
Gescheiterte ist nicht gescheitert.
Auf dem Weg nach Emmaus wird
dies den Gefährten Jesu deutlich.
Sie sind verzweifelt, alles, was sie
gewünscht hatten, ist gescheitert.
Und sie entdecken, dass es nicht
darum ging.
»Ein Teil der Krise der Pfarrei, ja der Kirche hat seine
Ursache im Fehlen von persönlicher seelsorglicher
Begleitung. Denn genau damit stiften wir Gemeinde, und
zwar durch die gegenseitige Begleitung als Christen.
Wenn das nicht mehr funktioniert, werden die Gemein
-
den hohl, verlieren ihren Kern. Diese Begleitung ist nicht
an ein Amt gebunden, sondern an die besonderen Charis-
men von Menschen. Es funktioniert dann, wenn einer
dem anderen sagt: ›Da kannst du hingehen, mit dem
kannst du reden.‹« Ludger Widmaier SSCC
»In der Bibel sind die Hoffnungsträger oft alte
Männer oder sterile Frauen. So Abraham und
Sarah, die selbst schon lange nicht mehr geglaubt
haben ein Kind bekommen zu können. Und trotzdem
war es dann so, und es war ganz anders, als sie es
erwartet haben.« Martin Königstein SSCC
Übersetzt für uns Christinnen und
Christen heißt dies, im Alltag offen
zu sein für Gotteserfahrungen. Am
Ende des Tages blicken die Emmaus-
Jünger zurück und stellen fest:
»Brannte uns nicht das Herz in der
Brust, als er unterwegs mit uns
redete und uns den Sinn der Schrift
erschloss?« Neben dieser Form
der Gotteserfahrung gibt es auch
die mystische Erfahrung, die weder
planbar noch herbeiführbar ist.
Die andere Form, jene, die die
Emmaus-Jünger gemacht haben,
erschließt sich für uns heutige
Menschen nicht automatisch und
von alleine. Ihr Vorteil ist jedoch,
dass sie eingeübt werden kann.
Seelsorgliche Begleitung kann es
so ermöglichen, den Alltag als Ort
der Gotteserfahrung zu entdecken.
Voraussetzung ist jedoch Bereit-
schaft und eigenes Tun, denn die
zuvor erwähnte mystische Gottes-
erfahrung wird nicht jeder und
jedem zuteil.
Das, was heute vermutlich am
meisten fehlt, ist Grundvertrauen.
Deswegen sagt Jesus »Fürchtet
euch nicht«. Eine auf Gottes Liebe
zu uns vertrauende Haltung, die
in der tiefsten Gewissheit wurzelt,
dass alles gut wird, kennt gewiss
auch Zweifel, Phasen der Trauer
und Momente der Angst, aber keine
anhaltende Mutlosigkeit. Aus die-
ser auf Gottes Liebe zu uns ver-
trauenden Haltung erwächst die
Hoffnung, aus der wir vertrauens-
voll leben können.
kerstin meinhardt
»Wir müssen uns darum kümmern, dass morgen
früh noch Glut in der Asche ist, damit man wieder
Feuer machen kann. Das ist unsere Aufgabe. Doch
mit welchem Brennstoff dann das Feuer wieder ent
-
zündet wird, das ist die Sache der nächsten Genera-
tion.« Martin Königstein SSCC
»Wenn man nicht resignieren, aufgeben oder verbittern
will, dann muss man sich fragen, was zählt eigentlich?
Was trägt mich? Und hierbei ist das Beispiel Jesu eine gute
Schule. Er hatte ja auch nicht den großen Erfolg, wurde gar
ermordet, und seine Jünger zerstreuten sich zunächst. In all
unserem Aktivismus haben wir das lange nicht wirklich wahr
-
genommen.« Heinz Josef Catrein SSCC
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Dort, wohin Gott dich gestellt hat, hoffe! Hoffe immer.
Kapituliere nicht vor der Nacht: Denk daran, dass der
erste Feind, den es zu überwinden gilt, sich nicht
außerhalb von dir befindet: Er ist in dir. Gewähre
daher den bitteren, dunklen Gedanken keinen Raum.
(…) Glaube und Hoffnung gehen Hand in Hand.
Glaub an die Existenz der höchsten und schönsten
Wahrheiten. Vertrau auf Gott, den Schöpfer, auf den
Heiligen Geist, der alles zum Guten führt, an die Um-
armung Christi, die am Ende des Lebens auf jeden
Menschen wartet; glaub daran, er wartet auf dich.
(…)
Meine nie, dass der Kampf, den du hier auf Erden
führst, vollkommen nutzlos sei. Am Ende des Lebens
erwartet uns nicht der Untergang: In uns schlägt ein
Same des Absoluten. Gott lässt nicht zugrunde gehen:
Wenn er eine Hoffnung in unsere Herzen gelegt hat,
dann will er sie nicht mit ständigen Enttäuschungen
zerstören. Alles entsteht, um in einem ewigen Früh-
ling zu blühen. Auch uns hat Gott erschaffen, um zu
blühen. (…)
Stifte Frieden unter den Menschen und hör nicht auf
die Stimme jener, die Hass und Spaltung verbreiten.
(...) Die Menschen, so unterschiedlich sie auch sind,
wurden erschaffen, um gemeinsam zu leben. In Aus-
einandersetzungen hab Geduld: Eines Tages wirst du
entdecken, dass jeder ein Stück der Wahrheit in sich
trägt. Liebe die Menschen. Liebe jeden Einzelnen von
ihnen. Achte den Weg eines jeden, ganz gleich, ob er
geradlinig oder verworren ist, denn jeder hat seine
Geschichte zu erzählen. (…) Jede Liebe, die entsteht,
ist eine verwandelnde Kraft, die zum Glück strebt.
Jesus hat uns ein Licht geschenkt, das in der Dunkel-
heit erstrahlt: Verteidige es, schütze es. Dieses ein-
zigartige Licht ist der größte Reichtum, der deinem
Leben anvertraut ist.
Und vor allem: Träume! Hab keine Angst zu träumen.
Träume! Träume von einer Welt, die man noch nicht
sieht, aber die sicher kommen wird. Die Hoffnung
führt uns dazu, an die Existenz einer Schöpfung zu
glauben, die sich bis zu ihrer endgültigen Erfüllung
erstreckt, wenn Gott Alles in Allem sein wird. (…)
Sei verantwortlich für diese Welt und für das Leben
eines jeden Menschen. Denk daran, dass jedes Un-
recht gegenüber einem armen Menschen eine offene
Wunde ist und deine eigene Würde mindert. (…)
Denk daran, dass Jesus für uns die Angst überwunden
hat. Er hat die Angst überwunden! Unsere ärgste
Feindin kann gegen den Glauben nichts ausrichten.
Und wenn irgendeine Schwierigkeit im Leben dir
Furcht einflößt, dann denk daran, dass du nicht nur
für dich selbst lebst. In der Taufe wurde dein Leben
hineingenommen in das Geheimnis der Dreifaltigkeit,
und du gehörst zu Jesus. (…)
Hab stets den Mut zur Wahrheit, aber denk dran: Du
bist niemandem überlegen. (...) Selbst wenn du der
letzte Mensch wärst, der noch an die Wahrheit glaubt:
Scheue deshalb nicht die Gesellschaft der Menschen.
Selbst wenn du in der Stille einer Einsiedelei lebst,
trage im Herzen das Leiden eines jeden Geschöpfs.
Du bist Christ; und im Gebet legst du alles wieder in
Gottes Hand. Und hege Ideale. Lebe für etwas, das
über den Menschen hinausgeht. (…)
Wenn du einen Fehler machst, stehe wieder auf:
Nichts ist menschlicher, als Fehler zu machen. Und
eben diese Fehler dürfen für dich nicht zu einem Ge-
fängnis werden. (…)
Wenn dich die Bitterkeit heimsucht, dann glaube fest
an alle Menschen, die sich noch für das Gute einsetzen:
In ihrer Demut liegt der Same einer neuen Welt. Hab
Umgang mit den Menschen, die sich ein kindliches
Herz bewahrt haben. Lerne vom Wunder, pflege das
Staunen. Lebe, liebe, träume, glaube. Und mit der
Gnade Gottes, verzweifle nie.
papst franziskus
Auszug aus seiner Katechese während der
Generalaudienz am 20. September 2017
seht die lilien auf dem felde mt
6,28
© links: »Der Weg nach Emmaus«: Kerstin Meinhardt, rechts: AnsonLu – iStock.com
titelstrecke
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hoffnung
Das Seil, auf dem die Narren tanzen?
»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!«, heißt es.
Nicht jedes Credo atmet Liebe …
Aber mein Herz weiß
Mehr als mein Verstand.
Zu DIR gelangen heißt vertrauen.
Das Wollen lassen!
Loslassen, ich will es üben,
Immer wieder aufs Neue …
In DEIN unendliches Werben
Um meine Liebe
Will ich endlich einwilligen.
Vorbehaltlos JA sagen!
DU, schon immer ICH BIN DA!
Das Vertrauen der Bauleute der Kathedralen:
Alles hängt von mir ab,
Nicht alles hängt von mir ab!
Heute an das Morgen glauben,
Ohne jemals das Morgen zu sehen.
Lass mich spüren: Alles wird gut,
Weil DU es gut mit mir meinst.
Lass mich nicht müde werden,
DICH in meinem Alltag zu suchen.
Lass mich bereit sein,
DICH in jedem Menschen zu finden.
Lass mich der Hoffnung
Bei mir ein Zuhause geben.
AMEN
kerstin meinhardt
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Angesichts dieser Brandherde lautet die Frage der
Zeit: Wer darf, wer soll das Leben der Menschen be-
herrschen? Kapital? Nation? Staat? Der Stärkere in
der Uniform des Militärs? Die Antwort aus dem Glauben
lautet in der Sprache dieser Zeit: Christus König!
Quer zu den Gräben zwischen Nationen, Staaten,
Klassen errichtet er sein Reich des Friedens und der
Liebe. Und der Christ weiß sich berufen, diesem »so-
zialen (in der gesellschaftlichen Wirklichkeit erfahr-
baren) Königreich Christi« mit seinem persönlichen
Leben zum Durchbruch zu verhelfen.
die welt gestalten – den himmel wagen
Es gilt weit zurückzugehen bis zu Pater Mateo Craw ley-
Boevey SSCC (1875–1960), einem gebürtigen Peruaner.
Mit genialem Gespür für die pastoralen Bedürfnisse
ein herz und eine krone –
nur die liebe darf allmächtig sein
Die zweite Hälfte des 19. und der Beginn des 20. Jahr-
hunderts sind geprägt von Umwälzungen, die die
Gesellschaften nicht nur in den Ländern Europas vor
nie da gewesene Herausforderungen stellen: Die Aus-
beutung der Arbeiter durch ungezügelten Kapitalis-
mus im Zeitalter der Industrialisierung beschert der
bürgerlichen Gesellschaft die »Soziale Frage« und
die Konfrontation mit sozialistischen und kommunis-
tischen Gegenentwürfen. Die Staatenbildung im Fli-
ckenteppich Europa ist verbunden mit dem Aufblühen
von Nationalismus und Militarismus. Im Kulturkampf
wird der Einfluss der katholischen Kirche auf Politik
und Gesellschaft radikal bekämpft, eine Trennung
von Staat und Religion erstrebt.
Gott hat einen Namen, ein Gesicht, ein Herz. Jesus ist dieses Herz. Er lässt die
Menschen und seine Schöpfung nicht zum Teufel gehen. Die heillosen Zeiten
wird er in zeitloses Heil verwandeln. Diese leidenschaftliche, grenzenlose, po-
litische Botschaft gehört ob ihrer sozialen Sprengkraft nicht nur in Kirchen
und auf Kanzeln, nicht nur gedruckt auf Papier oder in theologische Semina-
re. Sie gehört dahin, wo Menschen leben, arbeiten, lieben, kämpfen, gewin-
nen, verlieren, leiden und sterben, immer wieder hoffend auf Leben. Leben
durch den Tod hindurch. Bewegende Botschaft in die jeweilige Epoche hinein
mit ihren zeittypischen Herausforderungen. Antwort aus dem Glauben auf die
existenziellen Fragen einer konkreten Zeit.
Die Entstehung und Geschichte der Arnstein-Wallfahrt ist ein Paradebei-
spiel für eine solche weltgestaltende Antwort aus der Herz-Jesu-Spirituali-
tät heraus. Aber um eine Antwort zu verstehen, ist es nötig, die Frage
zu kennen und die Geschichte hinter dieser Frage – in unserem Fall eine
äußerst komplexe und schwierige Geschichte.
Eine Botschaft, die Beine macht und Himmel wagt
Rückblick auf die Geschichte
von Kloster Arnstein – Teil 2
© Bild links: mbolina – iStock.com
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seiner Zeit erkennt er: In der bürger-
lichen Gesellschaft ist die Familie als
Keimzelle des Staates der geeignete
Träger, um eine als bedrohlich emp-
fundene, sich rasch modernisierende
Welt christlich zu gestalten. Er entwi-
ckelt die alte Tradition der »Weihe an
das Herz Jesu« in Verbindung mit der
zeitkritischen Christ-König-Idee zu einer
Lebensform für Familien weiter. In einer
entsprechenden Weiheliturgie stellen
sich diese unter die Herrschaft des Her-
zens Jesu.
Inspiriert von der Verheißung Jesu an die
hl. Schwester Maria-Margareta Alacoque
(1647–1690) – »Ich werde die Häuser seg-
nen, in denen das Bild meines Herzens aufgestellt
und verehrt wird«–, ist er beseelt von dem Gedanken,
Jesus im Bilde seines Herzens sinnfällig einen Thron-
sitz in den Wohnungen und Häusern der Menschen zu
sichern. Die Liturgie der Erhebung eines Herz-Jesu-
Bildes auf den Ehrenplatz der Familie nennt er »Herz-
Jesu-Thron erhebung«. Fast 40 Jahre lang zieht er als
»Prediger des Herzens Jesu« (Paul VI. 1970) mit
durchschlagen dem Erfolg durch die ganze Welt und
verkündet die Botschaft vom »König der Liebe«, der
die Menschen bis zur »Torheit« liebt, am Kreuz für
sie stirbt, sich ihnen in der Eucharistie brotklein,
anfassbar, berührbar schenkt und die Mitte ihrer
Häuser, ihrer Familien, ihres Lebens sein will.
Diesem Anliegen fühlt sich auch Pater Chrysosthomus
Lauenroth SSCC verpflichtet. Von Arnstein aus star-
tet er mitreißende Predigttourneen, um der »Herz-
Jesu- Thronerhebung« auch im deutschsprachigen
Raum zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Team von
Volksmissionaren unterstützt ihn dabei. Der Erfolg
bleibt nicht aus: Im »Goldenen Buch«, das in der
Arnsteiner Klosterkirche bis heute aufbewahrt wird,
sind die Namen von 60.000 Familien verzeichnet, die
die Weihe an das Herz Jesu im Sinne Pater Mateos
vollzogen haben. Diese Weihe ist nicht als einmalige
Zeremonie gedacht, sie soll jedes Jahr nach einem
festen Ritual erneuert werden. So werden die dem
Herzen Jesu geweihten Familien jährlich nach Arn-
stein eingeladen, um dort im »Herz-Jesu-Heiligtum«
ihre Weihe zu erneuern und aus ihr Impulse, Kraft
und Lebenshilfe zu erfahren.
eine botschaft, die beine macht
Aus diesen Wurzeln entwickelt sich die Wallfahrt nach
Arnstein, Sühne- und Huldigungsfahrten zunächst,
um gegen religiösen, sittlichen und politischen Zerfall
ein Zeichen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe
zu setzen: die Welt gestalten und den Himmel wagen.
In den 1930er Jahren schlägt dann die Stunde für das
enorme Widerstandspotenzial dieser Bewegung, die
demonstrativ einem Antikönig huldigt. Die Botschaft
Christi – »Nur die Liebe darf allmächtig sein!« – prallt
hier ebenbürtig inszeniert auf die Führerideologie des
Nationalsozialismus, die Werte wie Freiheit, Menschen-
würde, Religion, Achtung der Vielfalt von Kulturen
und Völkern in Konzentrationslagern und im brutalen
Massenmord eines totalen Krieges zertrümmert. Pater
Chrysosthomus nimmt kein Blatt vor den Mund. Be-
reits 1933, unmittelbar nach der Machtergreifung,
beginnt er seine Pilgerpredigt in Arnstein mit dem
Paukenschlag: »Heil Hitler, die Kirchenglocken haben
bald ausgeläutet!« Die Reaktion des Re gimes lässt nicht
auf sich warten. 1935 wird er wegen eines Devisenver-
gehens ver haftet und zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus
verurteilt. Die Nationalsozialisten gebrauchten gerne
solche Anlässe, um dann mit großer Härte gegen un-
liebsame Geistliche vorzugehen. Zwei Mitbrüder über-
nehmen die Leitung der Pilgerzüge. Die Arnstein-Wall-
fahrt wird erstaunlicherweise nie verboten, indirekt
aber hart bekämpft: Ein Zug aus Trier mit 1.100 Pilgern
wird buchstäblich in letzter Minute vom Oberbürger-
meister der Stadt verboten, und die Zugwallfahrten
bleiben untersagt. Dennoch versuchen Pilger aus ein-
zelnen Ortschaften und Städten unter großen Schwierig-
keiten, die Wallfahrt in Regelzügen und Omnibussen
aufrechtzuerhalten. Doch erneut schlagen die Nazis
zu: Pater Alfons Spix SSCC, Superior des Klosters Arn-
stein, wird verhaftet, ins Gestapogefängnis nach Frank-
furt gebracht und stirbt am 9. August 1942 im KZ
Dachau. Das Aus der Pilgerzüge unter den Nazis und
die Kriegszeit bedeuten nicht das Ende der Arn-
stein-Wallfahrt. Nach Währungsreform und Wieder-
aufbau der Eisenbahnbrücke über die Lahn formieren
sich die traditionellen Pilgerzüge neu und bringen
jedes Jahr Tausende Menschen nach Arnstein – zum
Herrn mit den ausgebreiteten Armen.
hans-ulrich willms sscc
Ist Superior der Kommunität Münster und Klinikseelsorger in Telgte.
Von 1970 bis 1988 war er Wallfahrtsleiter in Kloster Arnstein.
© Bild rechts: Wiki Commons
Links: Chrysosthomus Lauenroth SSCC,
rechts: Mateo Craw ley- Boevey SSCC
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Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll. Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für das Frühjahr | Die Welt ist Gottes so voll.
2/2018
apostel
Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll.
Geistlicher Wegbegleiter
»Die Welt ist Gottes so voll«, bekannte der Jesuiten-
pater Alfred Delp nach seiner Verurteilung zum Tode.
Er schrieb diesen Satz mit gefesselten Händen im
Gestapogefängnis Berlin-Tegel. Sein Bekenntnis wird
auch in den kommenden drei Monaten den geistlichen
Begleiter prägen.
Was würden wir mit gefesselten Händen schreiben?
Welche Gedanken kämen uns, wenn wir von Diktato-
ren verfolgt und zum Tod verurteilt würden?
Gott hat mich verlassen?
Was habe ich denn falsch gemacht?
Will Gott mich bestrafen?
Die Welt ist schlecht?
Die Politiker sind korrupt?
…?
Im eigenen Elend nicht nur die schlechte Lage zu be-
klagen, sondern mehr zu entdecken als die Sorgen
und Ängste, ist eine Gnade. Uns ist diese Gnade ge-
schenkt, das Schöne nicht nur zu genießen und über
das Elend nicht ständig zu jammern. Uns ist die Gnade
geschenkt, Gott in den Blick zu nehmen, wenn es gut
läuft und wenn es uns schlecht geht.
Wir beten vielleicht um ein Wunder, um Erfolg und ein
gutes Leben. Wenn uns etwas Gutes geschenkt wird,
fällt es leichter, an Gott zu glauben. Das Schöne, so
vermuten wir, könnte Türöffner für Gott, für seine Ge-
genwart und sein Wirken sein.
Für viele Menschen sind die Sommermonate Urlaubs-
monate und bieten eine große Chance für das Schöne.
Diese Monate mögen guttun und die Einsicht stärken:
Das tut gut, das tut Gott.
Aber auch in den Sommermonaten geht für viele Men-
schen das Elend weiter: eine unheilbare Krankheit, die
verpasste Versetzung in der Schule, die Vorbereitung
auf eine Wiederholung des nicht bestandenen Examens,
der Trennungsschmerz in Erinnerung an den noch
gemeinsamen Urlaub vor einem Jahr; ein Leben ohne
Perspektive für viele Menschen in Afrika, diktaturver-
dächtige Zustände auch in einigen Ländern der Europä-
ischen Union selbst im »katholischen« Malta –,
Gewalt gegen Menschen aufgrund von Nationalität, Reli-
gionszuge hörigkeit oder Behinderung und vieles mehr.
Die Leserinnen und Leser des »Apostel« lade ich ein
zu beten,
dass wir als Katholiken und Christen im
Schönen und Guten Gott entdecken,
dass Menschen in der Überzeugung gestärkt
werden: Gott ist auch im Elend gegenwärtig,
dass wir Türen öffnen zu den Menschen, die
sich von Gott und von Menschen verlassen
glauben.
Eine Situation ist nicht deshalb für uns schlecht, weil
sie elendig ist. Sie ist schlecht, wenn im Elend nicht
an Gottes Gegenwart geglaubt werden kann. Bleiben
wir auch in den kommenden drei Monaten nicht am
Schönen und nicht am Elend hängen. Entdecken wir
stattdessen Gott im Schönen und im Elend.
pater manfred kollig sscc
ist Generalvikar des Erzbistums Berlin
»In einer Zivilisation, die an der Anonymität leidet und paradoxerweise zugleich, schamlos krank
an einer ungesunden Neugier, darauf versessen ist, Details aus dem Leben der anderen zu erfahren,
braucht die Kirche den Blick der Nähe, um den anderen anzuschauen, gerührt zu werden und
vor ihm Halt zu machen, sooft es nötig ist. In dieser Welt können die geweihten Diener und
die übrigen in der Seelsorge Tätigen den Wohlgeruch der Nähe und Gegenwart Jesu und seines
persönlichen Blicks wahrnehmbar machen. Die Kirche wird ihre Glieder Priester, Ordensleute
und Laien – in diese ‚Kunst der Begleitung‘ einführen müssen, damit alle stets lernen, vor dem
heiligen Boden des anderen sich die Sandalen von den Füßen zu streifen (vgl. Ex 3,5). Wir müssen
unserem Wandel den heilsamen Rhythmus der Zuwendung geben, mit einem achtungsvollen Blick
voll des Mitleids, der aber zugleich heilt, befreit und zum Reifen im christlichen Leben ermuntert.«
aus dem apostolischen schreiben »evangelii gaudium«.
© picture alliance/Stefano Spaziani
apostel
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Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll. Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll.
Gott, lass mich bis auf
den Grund schauen: auf den
Grund meines Lebens, den
Grund für mein Tun und Lassen,
den Grund für das Verhalten anderer
Menschen. Befreie uns Menschen
von allem, was unseren Blick und
unsere Erkenntnis trübt.
Amen.
Das Geniale benennen
Die Welt ist Gottes so voll.
Im kristallklaren Wasser bis
auf den Grund schauen.
»Awesome!«, riefen die beiden Kinder immer wieder.
»Genial«, würden wir sagen. 1998. Ich visitierte die
Mitbrüder meiner Gemeinschaft auf den Bahamas. So
kam ich auch zu einem Mitbruder auf die Insel Trea-
sure Cay. Den Montagmorgen hatten wir uns frei ge-
halten und besichtigten die Insel, auf der zu dieser Zeit
nur etwa 1.000 Einwohner lebten. Wir kamen an einen
der schönsten Strände der Welt und trafen zufällig eine
Familie, die am Sonntagabend die Heilige Messe mit-
gefeiert hatte. Der Sohn und die Tochter, 10 und 12
Jahre alt, hatten so etwas noch nicht gesehen; ich üb-
rigens auch nicht. Kristallklares Wasser, so tief man
schauen konnte.
Wirklich genial. Wer sich das wohl ausgedacht hat?
Welcher Plan dahintersteckt? Welchen Grund es dafür
geben mag? Zufall, sagen die einen. An die natürliche
oder manipulierte, von Gott oder mit seiner Hilfe be-
wirkte Entwicklung denken andere.
Wenn es guttut, muss Gott »seine Hände im Spiel
haben«, glaube ich. Kristallklares Wasser erinnert an
das Schöne und Wunderbare,
das Unschuldige und Ungetrübte.
Solche Erfahrungen machen es leicht
oder zumindest leichter, mit dem Jesuiten-
pater Alfred Delp zu bekennen: »Die Welt
ist Gottes so voll.«
Papst Franziskus erinnert in seiner Enzy-
klika »Laudato si« daran, indem er schreibt:
»Laudato si’, mi’ Signore – gelobt seist du,
mein Herr‘«, sang der heilige Franziskus von
Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er
uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine
Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie
eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt:
»Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester,
Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige
Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter
(Sonnengesang zitiert nach Franziskus-Quellen, Keve-
laer 2009, S. 40–41)
Papst Franziskus ermahnt zugleich, die Krankheiten,
die wir in der Natur sehen können, nicht zu übersehen
oder zu verdrängen: Abfallberge, Wassermangel, Ge-
fährdung von Tier- und Pflanzenarten bis hin zu Daten-
müll. Der Mensch besitzt nicht die Erde, sondern ist
Teil der Erde und muss sie verantwortlich gestalten.
»Awesome«, riefen die Kinder angesichts des kristall-
klaren Wassers. »Genial«, stimme ich mit ein in diesen
Freudengesang der Kinder. Genial, was Gott betrifft.
Und was sagt die Erde über uns Menschen, wenn sie
zu uns durch Pflanzen, Tiere, Wind und Wasser, Klima
und Sonne spricht?
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apostel
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Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll.
»Ich schaffe es selbst«, gab der Mann beim Ausstei-
gen zur Antwort. Kurz danach landete sein Koffer
unsanft auf dem Bahnsteig, dann er selbst auf seinem
Koffer. Ein zweiter Mann, der ihm vorher seine Hilfe
angeboten hatte, half ihm nun bei Aufstehen,
nahm den Koffer des gestürzten Mannes
und blieb mit ihm auf dem Bahnsteig
stehen. »Ist mir das peinlich«, sagte
der gefallene Mann. »Und dass Sie
mir noch helfen, obwohl ich vorhin
Ihr Angebot ausgeschlagen habe.«
»Ich habe Zeit«, antwortete der
Helfer. Mehr bekam ich nicht mehr
mit, da ich mit der Masse zum
Ausgang des Berliner Hauptbahn-
hofs ging.
Mehr als die Hilfe des Mannes ging
mir sein Satz nach: »Ich habe Zeit.«
Er hätte doch sagen können: »Selbst
schuld …« Das Verhalten des Helfers rief
in mir die Frage wach: Zeigt sich darin nicht
etwas von dem, wie sich Gott verhält? Er bietet
seine Unterstützung an, ohne sich aufzudrängen.
Er ruft, wartet aber geduldig auf die freie Antwort der
Menschen.
Und wo der Mensch umkehrt wie im Gleichnis
des verlorenen Sohnes und des barmherzigen
Vaters –, lässt er den Menschen nicht im Stich.
Er lässt keinen Menschen als Verlierer auf den
Bahnsteigen des Lebens oder gar als Verlorene in
der Welt zurück. Gott macht »Hilfsangebote«; immer
wieder – und das vor und nach einem Sturz.
Auch hatte der Helfer, nachdem der Mann gestürzt
war, nicht zynisch gefragt: Darf ich Ihnen vielleicht
jetzt helfen? In diesem »Helfer« eröffnet sich mir er-
neut der Glaube: die Welt ist Gottes so voll. Wo immer
wir als Menschen seine Hilfe ausschlagen; wie häufig
wir auch glauben, ohne ihn auszukommen, wird er
nicht zynisch, wenn wir uns getäuscht haben und fallen.
Er hilft, wo immer und wann auch immer wir stürzen
und seine Hilfe annehmen: nach einem rauen oder
sanften Fall und unabhängig von dem, was wir in un-
serem Lebensgepäck tragen.
Wie reagieren Sie, wenn Sie oder andere fallen?
Annehmen statt hinfallen
Gott, lass uns erkennen,
wo wir schwach werden und Hilfe
benötigen. Mach uns stark genug, um
Unterstützung anzunehmen, in der
uns Deine Gegenwart
entgegenkommt.
Amen
Die Welt ist Gottes so voll.
Hilfe annehmen.
Bild links: © Anton Maltsev – stock.adobe.com, Bild rechts: © Tinieder – iStock.com
apostel
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Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll. Geistlicher Wegbegleiter 2018 | Anregungen für den Sommer | Die Welt ist Gottes so voll.
An einem Berliner Jugendgefängnis hängt ein großes
Banner mit der Aufschrift: »Jugendliche haben Zu-
kunft. Wir feilen daran.« Es bleibt offen, woran in
diesem Gefängnis gefeilt wird: an den Jugendlichen
oder an deren Lebensbedingungen.
Im August und September nehmen in allen Bundes-
ländern wieder die meisten Schulen und Hochschulen
ihre Arbeit auf. Hier sollen junge Menschen ausge-
bildet werden, hier sollen sie Perspektiven entdecken.
Hier soll auch ihre Lebenslust gestärkt werden. Dies
gelingt in dem Maß, in dem junge Menschen ihre
Fähigkeiten und Gaben erkennen. Sie sollen lernen,
ihren angemessenen und besten Platz in unserer
Gesellschaft zu finden. Zu lange haben zu viele Men-
schen so getan, als fange das Menschsein erst mit
dem Abitur an. Teilweise wurde alles Mögliche getan,
damit junge Menschen mit Mühe und Not »ihr
Abitur machen«. Darüber haben nicht wenige
jegliche Lust am Lesen, Denken und manch-
mal sogar am Leben verloren. Es wurde so
lange an ihnen gefeilt, dass am Ende wenig
von dem, was ihre Persönlichkeit ausmacht,
übrig blieb.
Bildung ist wichtig. Aber so vermittelt, wie es
jedem Menschen entspricht – gemäß den
Talenten jedes Einzelnen. In ländlichen Regi-
onen Vorpommerns bleiben Jugendliche oft
hinter ihren Möglichkeiten zurück. Sie gehen auf
die Schule vor Ort, machen einen Hauptschulab-
schluss, weil ihre Eltern nicht wollen, dass sie täglich
40 und mehr Kilometer zu einer Schule fahren, auf der
sie das Abitur machen könnten. In Berlin hingegen wer-
den sie manchmal durch das Abitur »geprügelt«.
Als Christinnen und Christen glauben wir an Jesus
Christus, der jeden Menschen ermahnt, seine »Talente«
zu erkennen und einzubringen. Ob eine Gabe oder
viele Gaben: Er schaut jeden Menschen mit der glei-
chen Liebe an. Das bedeutet Ansehen. Dem Zöllner
Zachäus sagt Jesus: Du und dein Haus seid gut genug,
um bei Dir einzukehren. Jesus feilt nicht an ihm herum
und stellt keine Bedingungen an sein Haus. Es ist
Zachäus, der aus diesem bejahenden Verhalten Jesu
heraus gestärkt und ermutigt wird, um »an sich selbst
zu feilen«, umzukehren und sein Verhalten zu bessern.
Ein Banner mahnt im Jugendgefängnis, in Schulen,
Begleiten statt feilen
Heiliger Geist, Du schenkst jedem
Menschen Gaben. Erleuchte uns, damit
wir erkennen, wo wir hinter unseren
Möglichkeiten zurückbleiben oder uns
überfordern. Stärke uns, damit wir in
dieser Welt die Verantwortung
übernehmen, die uns zusteht.
Amen
Die Welt ist Gottes so
voll. Deshalb Vorsicht
beim Feilen.
© frankoppermann – stock.adobe.com
Ausbildungsstätten oder Heimen, in Kinder- und Jugend-
verbänden, in Familien, Nachbarschaften und Freun-
deskreisen an den Verhältnissen, an den Situationen
und Regeln in unserer Gesellschaft zu feilen, damit
junge Menschen Lust auf Bildung und auf das Leben
haben. Feilen? Ja, aber jeder Mensch an sich selbst.
Wie heißt es im Baumarkt: »Do it yourself.«
Haben Sie das Selbermachen gelernt? Und trauen
oder muten Sie es den anderen zu?
familie sscc
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apostel
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Pater Martin, mit welchen Gefühlen treten Sie Ihr
neues Amt an?
Pater Martin: Ich gebe zu, wenn ich morgens wach
werde, dann steht das Amt und die Verantwortung
wie ein Berg vor mir. Aber nach dem Morgengebet
und dem Frühstück mit der Kommunität schaue ich
mir das, was heute dran ist, an und nehme mir eine
Aufgabe nach der anderen vor, und dann geht das
ganz gut.
Das heißt, die Aufgaben und Erwartungen, die Sie
selbst und andere an die Aufgabe des Provinzials
haben, lähmen Sie keineswegs, trotz der gerade sehr
schwierigen Phase der Ordensgemeinschaft, in der
Kloster Arnstein aufgegeben werden muss?
Pater Martin: Ich empfinde es vor allem als Heraus-
forderung. Meine Wahl zum Provinzial war eine kon-
krete Möglichkeit, und ich habe lange darüber nach-
gedacht und mich auch mit anderen beraten, ob ich
eine Wahl annehmen soll oder nicht. Ich möchte das
Amt so wie ich es kann – und so gut ich es kann –
ausüben und verstehe es als eine ganz besondere Art
der Seelsorge an den Brüdern. Mir scheint, dass wir
auf dem Provinzkapitel in der Osterwoche mit dem
Grundlagenpapier »Unsere Hoffnung« wirklich etwas
in Bewegung bringen können. Dieser Spur will ich
weiter folgen und dazu beitragen, dass wir mehr auf
unsere geistlichen Prozesse achten, dass wir noch
stärker wahrnehmen, was in den Menschen, mit denen
wir zu tun haben, vorgeht, dass wir ernst nehmen,
was sie und uns wirklich bewegt, dass wir schauen,
wie wir als glaubende Menschen reifer und freier
werden durch das, was wir erleben.
Alles andere ist eine Sache der Organisation. Zum
Beispiel: Wie organisieren wir den Auszug aus Arn-
stein. Das ist sicher sehr viel praktische Arbeit. Man
kann den Auszug aus Arnstein aber auch als geistli-
chen Prozess sehen. Wir beginnen etwas Neues. Was
ist uns eigentlich wichtig in dieser Situation? Genau
dies zu erkunden und auszuprobieren, versuchen wir
auf den schon seit einiger Zeit statt findenden Treffen
mit den Gruppen der Familie SSCC und gemeinsa-
men Veranstaltungen wie dem Damiantag, der in
diesem Jahr in Kevelaer in einer sehr guten Stimmung
stattfand. Hier entsteht etwas Neues zwischen der
Hoffnungsvoll aufbrechen
auch wenn die Zukunft ungewiss ist
Interview mit Martin Königstein SSCC, dem neuen Provinzial der
Arnsteiner Patres
Ordensgemeinschaft und
den verschiedenen Laien-
gruppen, die sich mit uns
verbunden wissen.
Auch die Leserinnen und
Leser des »Apostels« sind
mit der Ordensgemein-
schaft verbunden. Und
bei vielen von ihnen spielt
Arnstein auf vielfältige
Weise eine wichtige Rolle.
Hier hat man an Wallfahr-
ten teilgenommen, hat
vielleicht im Jugend alter
wichtige Erfahrungen in
der Jugendbegegnungs-
stätte gemacht, die Leben
und Glauben geprägt haben. Nun fragen immer wieder
Menschen, ob sich die Ordensgemeinschaft in
Deutschland auflöst, weil Arnstein verlassen wird.
Andere befürchten, dass mit dem Ort auch ein Stück
Identität wegbricht …
Pater Martin: Bei einem dieser Treffen mit den Grup-
pen der Familie SSCC habe ich zu Beginn des Tages
ein kleine Kopie von einer Buchmalerei verteilt. Es
zeigt den alten Abraham, der noch einmal aufbricht.
Noch steht er vor seinem Haus – vor sich das Nichts.
Im Originalbild nimmt das Nichts den größten Teil
des Bildes ein – ein Nichts, das angstbesetzt ist. Da
stehst du vor deinem Haus, bist selbst schon alt und
sollst mit alten Leuten in eine ungewisse Zukunft
aufbrechen. Aber das ist auch eine Chance, eine Ein-
ladung. So möchte ich dies auch für die Ordenspro-
vinz, die Familie SSCC und mich verstehen: gerade
nicht unsere Mitte zu verlieren. Unsere Mitte besteht
ja nicht in einem Ort und auch nicht in einem Barock-
bild. Kloster Arnstein und die Christusdarstellung
mit dem offenen Herzen waren in einer bestimmten
Epoche richtig und gut. Aber diese Zeit ist nun vor-
bei, und jetzt sind wir eingeladen weiterzugehen, mit
unserem Glauben, mit unserem Zeugnis vom Glauben
und mit unserer Hoffnung. Mit all unserer Gebrech-
lichkeit, mit all unseren Grenzen lernen wir gerade
existenziell, dass der Glaube und die Hoffnung sich
nicht gründen auf unsere Möglichkeiten. Wenn man
familie sscc
apostel
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20 oder 25 ist und aufbricht, dann will man die Welt
retten und verlässt sich dabei auf die eigenen Fähig-
keiten und Möglichkeiten. Das ist gut so. Sonst würde
niemand aufbrechen. Aber mit 60/65 habe ich meine
Grenzen und Schwächen kennengelernt und weiß,
die Welt rette nicht ich, die Welt rettet ein Anderer.
Gott sei Dank! Dies nicht nur zähneknirschend zu
akzeptieren, sondern dankbar anzunehmen, das ist
unsere Herausforderung. Und diesen Weg mit uns
zu gehen, dazu laden wir Menschen ein.
Brauchen Menschen, die einen solchen geistlichen
Weg beschreiten, nicht auch spirituelle Orte – wie
es Kloster Arnstein war? Ein Ort, an dem man
zusammenkommen kann, Gemeinschaft erfährt, an
dem man sich seiner Identität verge wissert. Braucht
es nicht auch in Zukunft einen gemein samen Ort,
damit sich die Gemeinde nicht völlig zersplittert,
damit sie Gemeinde bleiben oder neu werden kann?
Pater Martin: Ja, sicher brauchen Menschen Orte,
Riten, Gebräuche durch die die Vermittlung des Glau-
bens ermöglicht oder wenigstens erleichtert wird. Auf
der anderen Seite ist der Verlust eines solchen Ortes
und der damit verbunden Riten und Gewohnheiten,
eine Einladung den Blick frei zu bekommen, den Kopf
und das Herz neu zu öffnen für das, was wir ent decken
sollen. Wir haben uns ja unseren Auszug aus Arnstein
nicht ausgesucht, es ging nicht mehr anders. In den
biblischen Texten, die die Geschichte Abrahams er-
zählen, heißt es an einer Stelle: »Er führte ihn hinaus
ins Weite.« Lassen wir uns ins Weite führen, vertrauen
wir dem, der größer ist als unser Herz. Und wenn Er
meint, dass uns ein neuer fester Ort gut täte, werden
wir ihn finden.
Wo liegen die größten Herausforderungen für die
Ordensprovinz in den nächsten Jahren?
Pater Martin: Das Erste ist die Gestaltung unseres
geistlichen Weges, den wir in unserem Dokument
»Unsere Hoffnung« skizziert haben. Wir wollen ge-
meinsam Zeugnis geben von der Hoffnung, die uns
erfüllt, und in diesem Zeugnis wollen wir uns gegen-
seitig stützen und begleiten. Das ist das Zentrale. Beim
Kapitel war spürbar, wie befreiend das Gespräch hie-
rüber wirkte, wo es einmal nicht darum ging, was
jetzt alles noch erledigt werden muss. Auch bei dem
Gespräch über die Gründung einer eventuellen neuen
internationalen Niederlassung in Berlin habe ich eine
verhaltene Begeisterung gespürt. Nach unserer Ein-
schätzung wäre eine internationale Kommunität in
einer multikulturellen Stadt wie Berlin sinnvoll. Denn
die Suche nach Gemeinsamkeit in der Verschiedenheit
ist ein Merkmal unserer Zeit und Gesellschaft. Und
wir Ordensleute erleben diese Verschiedenheit mit all
ihren Herausforderungen und Schwierigkeiten, aber
auch mit ihren Möglichkeiten – ebenso wie alle un-
sere Zeitgenossen. In Berlin könnten Mitbrüder aus
Afrika in ihrer jeweiligen Sprache und auf Englisch,
Franzö sisch oder Portugiesisch direkt seelsorglich
arbeiten. Auch ein polnischer Mitbruder könnte sich
um die vielen Polinnen und Polen in Berlin kümmern.
Wenn dann noch ein älterer Mitbruder aus der Deut-
schen Provinz dort mit leben würde und sich um die
Mitbrüder und die Kommunität kümmern könnte,
Zeit hätte, ihnen zu helfen, sich gut zurechtzufinden,
dann könnte dies ein reizvolles Projekt werden. Das
wäre ein Aufbruch, der unseren realen Möglichkeiten
gut entsprechen würde. Hierüber wollen wir in den
nächsten Monaten miteinander beraten.
Eine weitere Herausforderung ist die Wahrnehmung
von Leitung. Hier denken wir darüber nach, wo kon-
kret Laien, die mit uns zusammenarbeiten, auch Lei-
tung wahrnehmen können und auch soll-
ten, damit in einer immer älter werdenden
Bruderschaft die noch vorhandenen Auf-
gaben auch gut gestaltet werden. Denn
Leitungsaufgaben sind nicht an die Weihe
gebunden. Nicht zuletzt geht es darum,
dass wir noch mehr als bisher unser Zu-
sammenleben in den Kommunitäten so
gestalten, dass wir auch dadurch Zeugnis
geben von der Hoffnung, die uns erfüllt.
Was kann und möchte eine Ordensge-
meinschaft, die in Deutschland wahr-
scheinlich aussterben wird, nicht nur für
sich selbst, sondern auch für Kirche und
Gesellschaft noch leisten?
Pater Martin: Ich glaube, es geht hier um
das eigentliche Kerngeschäft von Kirche:
das Reich Gottes zu leben und zu verkünden.
Der neue Provinzial Martin Königstein SSCC dankt seinem
Amtsvorgänger Pater Heinz Josef Catrein SSCC
familie sscc
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apostel
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Das ist Hoffnung pur, mit seiner Gerechtigkeit, mit
seinem Frieden und seiner Freude. Und wenn wir die
drei Dinge hinkriegen im Kommunitätsleben, dann
haben wir viel geleistet in dieser Kirche und für diese
Kirche.
Besteht nicht die Gefahr, dass niemand das Kommu-
ni tätsleben mitbekommt und es damit nicht zum
Samenkorn für Kirche und Gesellschaft werden kann,
sondern faktisch nach außen unsichtbar bleibt?
Pater Martin: Bei einem Samenkorn geschieht Wich-
tiges unsichtbar. Das Keimen, das Aufbrechen ge
-
schieht in der Dunkelheit der Erde. So wie das Leben
eines jeden Menschen im Dunkel des Mutterleibs
beginnt – geschützt, unsichtbar und dennoch kraft-
voll ist es der Anfang einer neuen Zukunft. Die Wirk-
mächtigkeit des Samenkorns in der Erde und der Hefe
im Teig ist nicht laut und erregt kein Aufsehen. Den-
noch müssen wir kreativ sein, um zu sehen, wie das
Zeugnis unseres Glaubens, unserer Hoffnung und
Liebe wahrgenommen werden kann.
Die größte Gruppe, die die Ordensgemeinschaft
heute erreicht, sind die über 3.000 Einzelbezieherinnen
und -bezieher und die nochmals knapp 2.000 Men-
schen, die den »Apostel« in den Häusern mitnehmen.
Welche Rolle sollen die Zeitschrift und die Website
zukünftig spielen?
Pater Martin: Je weniger und je älter wir werden, desto
wichtiger sind diese Kommunikationsmittel, um Kon-
takte zu halten und neue zu knüpfen, ja um den Auf-
trag der Evangelisierung wahrzunehmen, geistliche
Angebote zu machen und auch in zentralen gesell-
schaftlichen und kirchlichen Fragen Denk- und Dis-
kussionsanstöße zu geben. Hier sollten wir noch
gemeinsam überlegen, wie wir den Dialog intensivieren
und besser gestalten können, damit es nicht nur
hauptsächlich eine Einwegkommunikation ist.
Als Provinzial hat man ja viele Rollen. In traditionellen
Familienklischees gesprochen: Man ist ein bisschen
die Mutter, die sich um alle kümmert, schaut, dass es
allen gut geht. Dann muss man der strenge Vater
sein, der entscheiden muss, der auch unangenehme
Sachen ansprechen muss. Und dann gibt es die Rolle
der weisen Großmutter – im Sinne eines »Spiritus
Rector« –, die geistliche Impulse gibt, Prozesse in
Gang setzen soll, und es gibt die Rolle des jenigen,
der Verwaltung und Organisation der Provinz und
ihrer Häuser und Werke verantwortet. Wo sehen Sie
hauptsächlich Ihre Aufgabe als Provinzial?
Pater Martin: Ich möchte der Bruder sein, der mitgeht,
zusammen mit den anderen sucht, nachdenkt und
berät. Der auch Fragen stellt und mit den Brüdern
versucht, sich den Fragen der Menschen heute zu
stellen.
Pater Martin, was würden Sie sich wünschen für die
Ordensgemeinschaft, die Familie SSCC, aber auch für
Kirche und Gesellschaft in den nächsten sechs Jahren?
Pater Martin: Dass wir lernen, mit der Verschieden-
heit der Menschen und der ganzen Schöpfung zu
leben und zwar nicht nur notgedrungen, sondern mit
Freude. Das gilt auch für unsere Gemeinschaften, die
wahrscheinlich internationaler werden – wie oben
schon angedeutet –, in den wir lernen müssen, das,
was wir nach außen predigen, auch im Alltag mit-
einander zu leben. Und ich wünsche mir, dass wir
die Verschiedenheit auch in den Formen, mit denen
wir uns Gott nähern – in den verschiedenen Religio-
nen und Kulturen –, nicht nur notgedrungen akzep-
tieren, sondern als gegenseitige Bereicherung erleben.
Und dass wir keine Angst haben, uns auf diese sich
rasch wandelnde Gesellschaft einzulassen. Wie ma-
chen wir das, ohne dabei zu verzweifeln, weil viel-
leicht vieles beängstigend ist? Ich wünsche uns, dass
unsere Hoffnung größer ist als das, was wir können,
und dass wir wissen und erleben, dass wir nicht al-
leine gehen.
Interview und Bearbeitung:
thomas meinhardt
Der neue Provinzrat (v. l.): Pater Manfred Kollig SSCC,
Pater Martin Königstein SSCC, Pater Heinz Josef Catrein
SSCC und Pater Arne Marco Kirsebom SSCC
Bild links und rechts: © Kerstin Meinhardt
apostel
1/2018
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gespräche in der seitenkapelle
apostel
2/2018
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Gespräche in der Seitenkapelle
#10
Vor dem Bild der »Schmerzhaften Mutter« und dem
»Gotischen Kreuz« in der Citykirche werden immer
wieder Kerzen aufgestellt. Menschen suchen in der
Kirche Trost bei schrecklichen Katastrophen, bedroh-
lichen Krankheiten und persönlichen
Krisen. Andererseits fehlt es nicht an
Menschen, die gerade diese Haltung
kritisieren, weil sie vertröste und gerade
nicht die Kraft zur Veränderung freisetze,
die ein anderes Leben möglich mache.
In der Spannung zwischen tröstender
Gegenwart und Vertröstung hat die Kir-
che seit Jahrhunderten ihren seelsorgli-
chen Ort.
In die Citykirche kommen auch Menschen mit
immer wieder denselben Anliegen zum Gespräch.
Da geht es mal um Nachbarn, die sie terrorisieren,
denen sie sich aber nicht entziehen können, weil
sie die Diskussion mit ihnen nicht aushalten und
kein Geld für eine andere Wohnung haben. Dann
geht es um Angehörige, die einen ausnutzen,
denen man aber keine Grenze setzen kann, weil
man sich zu schwach fühlt … Wie geht man damit
um, wenn Menschen immer wieder mit denselben
Problemen zum Gespräch kommen, aber keine
Kraft und keinen Mut finden, ihr Leben wirklich
zu ändern?
Manchmal habe ich dann das Gefühl, dass die Leute
sich gar nicht ändern wollen oder können. Das ist für
mich jedesmal eine schwierige Situation. Denn: Ich
kann mein eigenes Leben ändern, aber das anderer
Menschen kann ich leider, und Gott sei Dank, nicht
ändern. Dies wird zwar häufig versucht, aber es ge-
lingt zumeist nicht wirklich. Ich lasse mich vielleicht
beeindrucken und beeinflussen, aber ändern muss
ich mich schon selbst, sonst kann eine Veränderung
kaum nachhaltig sein.
Gelingt es Menschen, die in Konfliktsituationen ver-
strickt sind, nicht, den Mut aufzubringen, selber mit
der eigenen Veränderung zu beginnen, kann ich ihre
Kraft und ihren Mut nicht durch mein Zuhören oder
meinen Rat ersetzen. Das ist eine Grenze, die ich nicht
überschreiten kann und auch nicht überschreiten
darf. Wir hören schließlich zumeist auch nur eine
Version des Konfliktes, die Sichtweisen von anderen
Beteiligten bleiben uns verborgen.
An dieser Stelle bleibt mir nicht viel anderes zu tun,
als aufmerksam und einfühlsam zuzuhören, auch
wenn ich das Gefühl habe, das meine Präsenz nur
Vertröstung bewirkt. Manchmal jedoch ist dieser
kleine und hilflose Trost für diese Menschen wichtig,
gibt ihnen Kraft, ihre Situation zu ertragen – weil je-
mand ihnen zugehört hat, weil ihre Wahrheit gesagt
werden durfte.
Benötigen auch Menschen Trost, die sich bereits
auf den Weg gemacht haben, sich zu ändern oder
etwas in ihrem Leben anders zu machen?
Die Bedeutung des Trostes ergibt sich in vielen Ge-
sprächen daraus, dass ein Zuhörer die große Mühe
anerkennt, mit der jemand um eine Änderung in sei-
nem Leben gerungen hat.
Menschen sind häufig
dankbar, dass sie ihre Feh-
ler und Schwächen, ihre
Mühen und ihr Leid aus-
sprechen dürfen, und
damit ernst genommen
werden. Oft entdecken sie
dann auch eine neue Per-
spektive für ihr Leben. Sie
versuchen kleine Schritte
zu unternehmen, um ihre
Situation zu verändern.
Und sie bemühen sich,
nicht ihre Partner, ihre
Nachbarn, ihre Angehö
-
rigen oder ihre Freunde
und Kollegen zu verän-
dern, sondern sich selbst.
Das ist viel wert – und der
Trost, den sie beim Zuhö-
ren empfangen, der wan-
delt sich dann in Kraft
und Mut, um weitere
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gespräche in der seitenkapelle
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Gespräche in der Seitenkapelle
Trost oder Vertröstung?
Bild unten © KNA/Harald Oppitz
Schritte zu wagen, um doch anders leben zu lernen.
Hier spürt man, dass es sich lohnt, wenn in der Ge-
sprächsseelsorge auch Trost gespendet wird.
Manchmal ist die Verzweiflung von Menschen so
groß, dass sie Gesten des Trostes herausfordern.
Wie verhalte ich mich in solchen Situationen? Wie
kann ich hier angemessen mit Nähe und Distanz
umgehen?
Mir scheint es wichtig, dass man als Zuhörender seine
innere Freiheit behält. Gerade als Geistlicher sitzt
man seinem Gesprächspartner ja nicht im eigenen
Namen gegenüber. Und auch die Ehrenamtlichen an
der Offenen Tür hier in der Citykirche sind sich be-
wusst, dass sie nicht in ihrem eigenen Namen den
Dienst der Präsenz und des Zuhörens übernehmen.
Dabei ist es unerlässlich, sich immer vor Augen zu
führen, dass die Gesprächspartner geliebte Kinder
Gottes sind, und ihre Würde und Verletztlichkeit ge-
achtet werden muss.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Frau,
die mir gerade erzählt hatte, dass sie als kleines Mäd-
chen von ihrem Vater sexuell missbraucht worden
sei. Sie fing bitterlich an zu weinen, und ich hatte
einen kurzen Impuls, sie – und das missbrauchte
kleine Mädchen in ihr – zu umarmen und zu trösten.
Ich habe dies dann nicht getan, denn als Mann und
als Geistlicher hätte ich leicht in die Rolle des Vaters
gelangen können, der sie missbraucht hatte. Also
habe ich keine Bewegung gemacht, um sie zu umarmen.
Sie hat sich trotzdem an meine Schulter gelehnt, um zu
weinen – und so einen Trost gefunden, der ihr guttat.
Für mich war dies eine wichtige Erfahrung zum Thema
Präsenz. Ich glaube, dass es für den Trost von Men-
schen bedeutsam sein kann, eine Schulter zum Weinen
anzubieten. Doch man muss dabei vorsichtig sein,
Menschen nicht mit seiner Nähe zu überfallen. Das
erfordert Einfühlsamkeit, denn man befindet sich oft
an einer sensiblen Grenze.
Grundsätzlich empfehle ich eher Zurückhaltung und
das Bewusstsein, dass ich als Zuhörender immer die
Achtung vor meinem Gesprächspartner wahre. In ihm
tritt mir das Abbild des lebendigen Gottes gegenüber,
den zu achten und zu ehren, immer wichtig bleibt.
Aus dieser Achtung, so glaube ich, kann den Men-
schen Trost, Kraft und Mut zuwachsen, die sie befähi-
gen, mit ihrer Lebenssituation neu umzugehen.
ludger widmaier sscc
ist Seelsorger an der Citykirche in Koblenz
und lebt im dortigen Konvent
familie sscc
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Der etwas andere Wandertag
Arnstein: 30 Pilgerinnen und Pilger wanderten am 27.
Mai in zwei Gruppen von Singhofen und Nassau aus
nach Kloster Arnstein und begingen gemeinsam einen
Pilgertag mit einem Vortrag über die Anfänge der Arn-
steinwallfahrt, Gottesdienst und vielen Gesprächen.
Pilgertag zum Gedenken an
»unseren« Heiligen Pater
Damian
Kevelaer: Wegen des Katholikentages wurde die Feier
zu Ehren Pater Damians nicht wie sonst am 10. Mai,
seinem Festtag, sondern bereits am 15. April, dem
Todestag Damians, begangen. Ziel der kleinen Wall-
fahrt, an der 35 Personen teilnahmen, war in diesem
Jahr Kevelaer. Dort hat der Künstler Bert Gerresheim
an der Basilika das »Portal der Nachfolge Christi«
gestaltet. Der linke Türflügel wird von der Gestalt des
sterbenden Pater Damian beherrscht, der deutlich am
Emblem der Heiligsten Herzen und seiner von der
Lepra verunstalteten Hand zu erkennen ist.
Es war ein schlichter Pilgertag mit Besichtigung, An-
betung und Gottesdienst, der zudem reichlich Gelegen-
heit zur Begegnung bot. Hier trafen sich Menschen,
die verschiedenen Gruppen unserer »Familie SSCC«
angehören und durch diese Wallfahrt in einer guten
Atmosphäre miteinander in Kontakt kamen.
Dank für die Botschaft
von Arnstein
Das Pfingstwochenende der Arnsteingemeinschaft
Seit 30 Jahren trifft sich die Arnsteingemeinschaft an
Pfingsten in Kloster Arnstein. Während vor einem
Jahr das 30-jährige Treffen noch mit großer Begeiste-
rung gefeiert wurde, war in diesem Jahr die Tatsache,
zum letzten Mal auf Kloster Arnstein zusammen zu
sein, allgegenwärtig. Dennoch herrschte wider Erwar-
ten keine dumpfe und wehmütige Stimmung. Es ging
darum, für all das zu danken, was Arnstein uns ge
-
schenkt hat. Die Botschaft von Arnstein hat unser
religiöses Leben geformt und wirkt in die Gegenwart
hinein. Wir wollen auch weiterhin auf diese Impulse
nicht verzichten. Wir wollen mit den Menschen zu-
sammenbleiben, mit denen wir unseren Glauben ge-
teilt und gelebt haben. Für das Jahr 2019 ist bereits
ein Haus gefunden, in dem die Arnsteingemeinschaft
sich an Pfingsten treffen wird.
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»Quo vadis Arnstein?«
In einem Interview für die Limburger Bistumszeitung »Der Sonntag« beantwortet
Generalvikar Wolfgang Rösch die am häufigsten gestellten Fragen.
Wie geht es weiter mit der Familie SSCC?
Wird jemand im Kloster wohnen?
Das Bistum hat intensiv nach Orden und geistlichen Ge-
meinschaften gesucht, die das Kloster beleben sollen. Dies
ist leider nicht gelungen.
Zwei der fünf Arnsteiner Patres, die zurzeit noch im Klos-
ter leben, werden noch zwei Jahre in der Region bleiben
und das Pastoralteam der Pfarrei verstärken.
Was geschieht mit dem Kloster?
Wir wollen überlegen, welche Möglichkeiten Arnstein
bietet, und welche Perspektiven sich hier für die Zukunft
der Kirche entwickeln lassen. Das Kloster wird auch im
kommenden Jahr für Veranstaltungen und Begegnungen
nutzbar sein. All das, was vor Ort organisiert werden
kann, soll dort auch stattfinden. Die Koordination wird
die künftige Pfarrei übernehmen.
Wird die Jugendbegegnungsstätte bleiben?
Die Jugendbegegnungsstätte wird zum Jahresende ge-
schlossen. Mit Blick auf die bestehenden Tagungshäuser
der Diözese in Kirchähr und Waldernbach ist eine Über-
nahme nicht möglich. Was mit dem bestehenden Gebäu-
de passiert, steht zurzeit noch nicht fest.
Was wird aus der Kirche?
Arnstein ist ein bedeutender Ort im Bistum, und wir sind
uns der Verantwortung bewusst. Daher werden wir in
den kommenden Jahren gemeinsam mit dem Land in die
Sanierung der Klosterkirche und des Klosters investieren.
(Zitiert aus: »Der Sonntag«,
Nummer 22, 3. Juni 2018. Der Text ist gekürzt.)
Ausgangspunkt der Beratungen waren zunächst die
Beschlüsse des Provinzkapitels 2018:
»Nach dem Abschied von Kloster Arnstein wollen wir
den uns durch Arnstein verbundenen Menschen wei-
terhin eine spirituelle Heimat bieten. Das Provinzka-
pitel beschließt die Einrichtung einer Kommission,
der Laien und Mitbrüder angehören. Die Aufgaben
dieser Kommission sind:
unser Charisma und unsere Spiritualität in zeitge-
mäßer Form anzubieten,
Angebote geistlicher Begleitung zu erstellen,
Gottesdienste, Wallfahrten, Einkehrtage und an-
dere religiöse Veranstaltungen anzubieten und zu
begleiten,
Kontakt mit den verschiedenen Laiengruppen SSCC
zu pflegen,
die Zeitschrift Apostel, die Webseite und andere
soziale Medien und Netzwerke bewusst und inten-
siv zu nutzen.«
Der Kapitelstext wurde den Teilnehmenden vorgestellt
und von diesen mit Zustimmung aufgenommen. Er
dokumentiert das Bekenntnis der Ordensgemeinschaft,
in Zukunft noch enger mit den Laien zusammenar-
beiten zu wollen. Bei der Diskussion wurden erste
konkrete Schritte vereinbart. Weltlicher Zweig, Arn-
steingemeinschaft und Pilgerhelfer werden je eine
Vertretungsperson wählen, die in der neuen Kommis-
sion mit den Mitbrüdern gemeinsam überlegen, wie
es weitergehen soll. Die Kommission erhält den Namen
»Familie SSCC«.
Arnstein: Am 5. Mai trafen sich bereits zum vierten
Mal Menschen, die sich der Ordensgemeinschaft be-
sonders verbunden fühlen, um darüber zu beraten,
wie es nach dem Abschied von Kloster Arnstein wei-
tergehen kann. Dazu zählen neben den Patres der
Ordensgemeinschaft der weltliche Zweig von SSCC
in Deutschland, die Arnsteingemeinschaft und die
Wallfahrtshelferinnen und -helfer.
Bild rechts: © Kerstin Meinhardt
familie sscc
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50 Jahre 50 Jahre
60 Jahre
50 Jahre Priesterweihe
Pater Erich Britscho SSCC
Erich Britscho wurde 1940 in
Stromberg im Westerwald ge-
boren. Über das Johannesgym-
nasium in Lahnstein fand er
den Weg in die Ordensgemein-
schaft der Arnsteiner Patres.
1963 legte er seine ersten Ge-
lübde ab, und am 27. Juli 1968
wurde er in Simpelveld zum
Priester geweiht, wo er ab 1970
Hausökonom war. Das riesige, alte Haus und die große
Kommunität waren eine Herausforderung. Von 1985
bis 1993 übernahm Erich Britscho die gleiche Aufgabe
in Kloster Arnstein, um von dort ins Provinzialat nach
Aachen zu gehen, wo er wiederum mit Verwaltungs-
aufgaben betraut war. Im Jahre 2003 wechselte er nach
Werne und arbeitete als Krankenseelsorger am
St.-Christophorus-Krankenhaus. Schnell kamen wei-
tere Aufgaben hinzu. Die wachsende Anzahl älterer
und gebrechlicher Mitbrüder forderte ihn, und er ließ
sich bereitwillig fordern. Pater Erich ist für viele von
ihnen ein treuer Begleiter und Helfer in den vielen
Notlagen des Alltags. Daneben ist er weiterhin in der
Krankenseelsorge der Stadt Werne aktiv.
60 Jahre Ordensprofess
Pater Dr. Gabriel Simon SSCC
Der Jubilar wurde 1937 in Ret-
terath in der Eifel geboren.
Nach dem Abitur am Johannes-
gymnasium in Lahnstein trat
er der Ordensgemeinschaft bei
und durchlief das Noviziat in
Burgbrohl. Am 21. April 1958
legte er dort seine ersten Ge-
lübde ab. Anschließend begann
er in Simpelveld die philoso-
phischen und theologischen Studien und wechselte
noch im gleichen Jahr nach Rom. Sein großes Inter-
esse galt der Philosophie. Er investierte so viel in die-
ses Fach, dass er bereits 1963 den philosophischen
50 Jahre Priesterweihe
Pater Ernst Schmitt SSCC
Ernst Schmitt wurde 1941 in
Weibern in der Eifel geboren
und fand über das Johannes-
gymnasium in Lahnstein den
Weg in unsere Ordensgemein-
schaft. 1963 legte er seine ersten
Gelübde ab, und am 27. Juli
1968 wurde er in Simpelveld
zum Priester geweiht. Seine viel-
seitigen Begabungen zeigen sich
in all den Aufgaben, die ihm der Orden anvertraut
hatte. Pater Ernst war Lehrer und Präfekt in Lahnstein
und später Lehrer in Werne. Sein Interesse für Sport
und Musik halfen ihm in der Jugendseelsorge, die ihm
immer ein Anliegen war. Für die Gemeinden St. Bar-
bara in Lahnstein, St. Mauritz in Münster und St.
Christophorus in Werne war er viele Jahr lang ein en-
gagierter Seelsorger. Dazu kam der Dienst der Leitung
in der Provinz. Er war Superior in Lahnstein und Werne,
Vizeprovinzial und Mitglied verschiedener Räte und
Kommissionen. Heute lebt er in Werne und unterstützt
die Pfarrei in der Seelsorge, ist der Superior und Öko-
nom der Kommunität und hat bei Festen und Veran-
staltungen einen ausgezeichneten Ruf als »Grillmeister«.
Doktorgrad erwarb – noch vor seiner Priesterweihe.
1965 wurde Pater Gabriel dann in Simpelveld zum
Priester geweiht. Von 1967 bis 1980 lehrte er als Do-
zent an unserer Hochschule in Simpelveld, später an
der Hochschule der Franziskaner und Kapuziner in
Münster. Von 1982 bis 2001 war er Provinzial der
deutschen Ordensprovinz und ist noch immer in der
Fort- und Weiterbildung der Provinz und in der geist-
lichen Begleitung aktiv.
Heute gilt sein besonderes Interesse der wissenschaft-
lichen Erforschung unserer Ordensgeschichte, wobei
er immer wieder mit erstaunlichen Entdeckungen
überrascht.
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Pater Dr. Bonifatius Mock SSCC
Am 24. März 2018 verstarb
Pater Bonifatius Mock im Alter
von 88 Jahren im Krankenhaus
in Gerolstein. Er wurde 1929
in Feudingen (Wittgenstein i.
W.) geboren und wuchs in
Küllstedt im thüringischen
Eichsfeld auf. Der Katholizis-
mus dieser isolierten katholi-
schen Insel hat ihn und seine
Glaubensüberzeugungen stark geprägt. Nach kurzem
Kriegseinsatz kam er an das Johannesgymnasium in
Lahnstein und trat nach dem Abitur 1950 in Burgbrohl
in das Noviziat ein. Nach der Profess und den philo-
sophisch-theologischen Studien wurde er 1956 in
Simpelveld zum Priester geweiht. Anschließend stu-
dierte er an der Universität Köln Germanistik und
Psychologie und schloss sein Studium 1964 mit der
Promotion in Psychologie ab. 1971 wurde Pater Bo-
nifatius zum Wissenschaftlichen Rat und Professor
ernannt. Als Dozent der Psychologie arbeitete er an
der Universität Köln und hielt darüber hinaus bis 1980
regelmäßig Vorlesungen an der Ordenshochschule in
Simpelveld.
Neben der wissenschaftlichen Tätigkeit wirkte er von
1960 bis 1977 als Seelsorger am Pantaleonstift in Köln.
Nach seiner Emeritierung wohnte er in Birgel in der
Eifel und unterstützte, solange seine Kräfte es zulie-
ßen, seelsorglich die dortigen Gemeinden, insbeson-
dere die Gemeinde Wiesbaum.
In Memoriam
Pater Nikolaus Herden SSCC
In unserem Konvent in Werne
verstarb am 22. Mai 2018 im
Alter von 89 Jahren Pater Ni-
kolaus Herden. Er wurde 1928
in Bad Charlottenbrunn (seit
1945 Jedlina-Zdrój) in Nieder-
schlesien (seit 1945 zu Polen
gehörend) geboren. Im nahe
gelegenen Falkenhain (seit
1945 Sokołówka) besuchte er
die Missionsschule unserer Patres »Christus Rex«.
Nach Krieg und Vertreibung übersiedelte die Familie
dann 1946 nach Lahnstein, wo Nikolaus unser
Johannes gymnasium besuchte und 1952 Abitur mach-
te. Sein Noviziat verbrachte er in Burgbrohl, die Phi-
losophie- und Theologiestudien absolvierte er in un-
serer Ordenshochschule in Simpelveld (Niederlande).
1958 wurde Nikolaus Herden in Valkenburg zum
Priester geweiht. Seine Stationen in der Ordensge-
meinschaft waren das Provinzialat in Aachen, Gymna-
sium und Internat in Lahnstein und Superior in Kloster
Arnstein. 1978 wurde Pater Nikolaus Pfarrer von
Weibern in der Eifel. Nach 26 Jahren verabschiedete
er sich 2004 von der Pfarrei und wurde Seelsorger im
Altenheim »Marienstift Mendig«. 2008 wechselte er
als Seelsorger nach Ochtendung ins »Alten- und Pflege-
heim St. Martin«. 2017 beendete er seine berufliche
Tätigkeit und zog nach Werne um.
Der Klosterladen bietet viel!
Unser Klosterladen im Kloster Arnstein hat im Sommer vom
1. April bis zum 30. September an folgenden Tagen geöffnet:
Dienstag–Freitag: 10.00 –12.30 Uhr und
13.00 –17.00 Uhr
Samstag: 13.30 –17.00 Uhr
Sonntag: 11.30 –12.00 Uhr und
13.30 –17.00 Uhr
Unabhängig von Öffnungszeiten können Sie im
Onlineshop des Klosterladens bestellen:
www.arnsteiner-patres.de
/
klosterladen.html
In Memoriam
www.arnsteiner-patres.de
Unsere Niederlassungen in Deutschland
Arnsteiner Patres, Provinzialat
Kardinal-von-Galen-Straße 3
59368 Werne
Tel.: 0 23 89 97 01 50
Fax: 0 23 89 97 01 27
provinzialat@sscc.de
Kloster Arnstein
56379 Obernhof / Lahn
Tel.: 0 26 04 9 70 40
Fax: 0 26 04 16 06
Kloster.Arnstein@sscc.de
Arnsteiner Patres
Bohlweg 46
48147 Münster
Tel.: 02 51 48 25 33
Fax: 02 51 4 82 53 59
Muenster@sscc.de
Arnsteiner Patres
Jesuitenplatz 4
56068 Koblenz
Tel.: 02 61 9 12 63-0
Koblenz@sscc.de
Niederlassung der Deutschen Provinz
in Belgien: Pères des Sacrés Coeurs
Quai de Brabant, 38/5
B-6000 Charleroi
Tel.: 00 32 71 70 02 46
Bild und Text von Pater Manfred Kollig SSCC
Jesus – Herz – Maria
Im Herzen einer Stadt
ankommen und abreisen
im Bahnhofsbau und
im Fahrtwind der Züge
begegnen sich Herzen
und sagen
Hallo und Auf Wiedersehen.
Das Herz Jesu
und das Herz Mariens –
zwei Herzen
zwischen
Heimat- und Reisegefühl
beständig und bewegt,
stets die Liebenden.
»Denn wir haben hier keine
bleibende Stadt,
sondern wir suchen die zukünftige.«
(Hebräerbrief 13,14)