Lebensweg 1901–2000

Friedhelm Geller SSCC

Pater Fried­helm Geller wurde 1939 in Sundern, West­falen, geboren. 1960 legte er seine ersten Gelübde ab und wurde 1965 zum Priester geweiht. Er nahm ein weiteres Studium auf (Anglistik und Publizistik), das er 1970 mit dem Staatsexamen abschloss.

Für Friedhelm Geller war Kirche Sendung – Mission –, das hieß für ihn über den Garten­zaun hinauszuschauen und weiter zu gehen: Fähig sein, die eigenen Sicherheiten zurück­zulassen, und bereit werden für Solidarität und Mitgefühl vor allem mit den Menschen am Rand, den Vergessenen und unsichtbar Gemachten. Frohe Botschaft sein für die, die schlechte Erfahrungen im Leben machen. Er war viel unterwegs in der Welt und in der weltweiten Ordensgemeinschaft, aber auch im Kulturleben- und -schaffen und in der Kunst. Pater Friedhelm kannte die Ordens­gemeinschaft, ihre Spiritualität und ihr Cha­risma von den Ursprüngen her, und er beob­achtete und begleitete ihre Entwicklung in Seminaren, Workshops, Exerzitienkursen, häufig mit den jungen Mitbrüdern, in vielen Ländern und Kontinenten.

Viele Jahre war er der verantwortliche Redak­teur des Apostels, der seinerzeit als Jahrbuch erschien. Auch nach der Umstellung zur Quartalsschrift arbeitete Pater Friedhelm wei­ter in der Redaktion mit – bis seine Krankheit dies unmöglich machte. Am 25. Mai 2019 verstarb unser Mitbruder nach lan­ger Krankheit in Werne.

Olav (Dagfinn) Müller SSCC

 

Als Pater Olav 2018 mit 94 Jahren starb, erschienen in Norwegen zahlreiche Nachrufe. Einen von ihnen möchte ich herausgreifen, da er Pater Olav und seine Bedeutung für Kirche und Gesellschaft in Norwegen gut charakterisiert. Er stammt aus der Feder des Soziologen Gudmund Hernes. Hernes ist ein bekannter Politiker der norwegischen Arbeiterpartei und war einige Jahre Minister für Kirche, Kultur und Forschung.

Als Abiturient traf er Pater Olav 1960 in Trondheim und schrieb: »Dieser Mann lebt auf vielerlei Weise immer noch in uns und das obwohl wir niemals Katholiken geworden sind.« Er erinnert sich: »Es gab atemberaubende Diskussionen um die Gottesbeweise, um die Unterschiede im katholischen und protestantischen Glauben, um Erbsünde, Rechtfertigung und gute Werke. Das war für junge selbstbewusste Agnostiker nicht so einfach zu schlucken, der eine war ja Sohn eines Pfarrers. Der künftige Minister für Kirche und Kultur bekam eine ausgezeichnete Grundlage für seine Diskussionen mit dem (protestantischen) Bischofskollegium.«

Pater Olav hatte nicht nur ein Ohr für die aufmüpfige studentische Jugend der 60er Jahre. Er war ein gefragter Exerzitienmeister und Vortragsredner. Er streifte aber auch mit seinem Rottweiler sommers und winters tagelang durchs Gebirge und arbeitete als Pfarrer von Ålesund nebenbei in einer Fischräucherei, um Geld für eine Jugendhütte zu verdienen.

Pater Olav schrieb Bücher, Zeitungsartikel und Hunderte von Internetbeiträgen für den katholischen Informationsdienst. Als Mensch und als Priester passte er in kein Schema. Ein Norweger aus liberalem Haus, der katholischer Priester wurde. Ein Pfarrer, der Heringe räucherte. Ein Referent, der seinen Rottweiler zum Vortrag mitbrachte. Ein Seelsorger, bei dem man immer klingeln konnte. Ein Katholik ohne Berührungsängste zu Freimaurern, Andersgläubigen und exzentrischen Weltverbesserern. Ein Akademiker mit besten Kontakten zu Trondheims »gesellschaftlichen Randgestalten«.

Als Pater Olav als Pfarrer nach Trondheim kam, traf er auf eine kleine, von ausländischen Priestern geleitete, bettelarme Diasporagemeinde. Er gab dieser fremd wirkenden Kirche eine norwegische Stimme im ganzen Land. Er führte seine Gemeinde durch die Reformen des II. Vatikanischen Konzils und erlebte das gewaltige Wachstum der Katholischen Kirche in Norwegen durch Flüchtlinge und Arbeitseinwanderung nach 1975.

Seine tiefe persönliche Frömmigkeit zeigte sich in seinen Predigten und Schriften und nicht zuletzt in der Weise, in der er die Last des Alters ertrug. »Jesus begnügt sich nicht damit, uns wie seine Freunde zu lieben. Er dürstet danach, dass wir seine Freundschaft erwidern. Er sehnt sich danach, dass wir mit ihm in Verbindung treten, mit ihm sprechen und uns ihm so öffnen, wie wir es bei unseren besten Freunden tun.« (Aus Pater Olavs Buch: »Pateren dypper pennen«)

Gabriel Simon SSCC

Als Theo Simon wurde er 1937 in Retterath/Eifel geboren. Nach dem Abitur am JohannesGymnasium in Lahnstein trat er 1957 ins Noviziat ein. 1958 legte er seine ersten Gelübde ab und nahm den Ordensnamen Gabriel an.

Nach dem ersten Studiensemester an der Ordenshochschule Damianeum in Simpelveld/NL setzte Frater Gabriel zum Wintersemester 1958/59 seine Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom fort. Im Herbst 1967 schloss er sein Studium in Rom ab mit einem Lizentiat in Theologie und als Doktor der Philosophie. Zwei Jahre vorher war er in Simpelveld zum Priester geweiht worden.

Zurück in Simpelveld begann er sofort seine Tätigkeit als Dozent der Philosophie am Damianeum. Rasch kamen weitere Aufgaben hinzu: als Studienpräfekt in Simpelveld, Vorsitzender der Ausbildungskommission der deutschen Ordensprovinz und durch Mitarbeit in der Hausleitung und in der Provinzleitung. Nach der Schließung des eigenen Studienhauses zog er 1980 mit den damaligen Studenten des Damianeums von Simpelveld nach Münster/Westfalen um. Das Provinzkapitel 1982 wählte Pater Gabriel zum Provinzial; ein Amt, das er bis 1991 ausübte. Ab dem Wintersemester 1992/93 nahm er dann seine Lehrtätigkeit an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster wieder auf.

Im Februar 2007 hielt er seine letzte Vorlesung, hatte aber schon ein neues Arbeitsfeld im Blick: die Erforschung der Vorgeschichte und der Geschichte der deutschen Ordensprovinz der Arnsteiner Patres. Gleichzeitig war Pater Gabriel lange Jahre Vorsitzender und Mitglied der Kommission für Fortbildung und Spiritualität in der deutschen Ordensprovinz und für die europäischen Provinzen unserer Gemeinschaft. Dankbar können wir sagen, dass Pater Gabriel immer mit denkerischer Schärfe, mit Tiefgang, Ausdauer und Umsicht seine Aufgaben anging und mit großer Liebe zur Wahrheit, vor allem zu den jungen Menschen, denen er in seinen Vorlesungen, in Vorträgen und in vielen Gesprächen seine Entdeckungen und Erkenntnisse vermittelte; immer so, dass seinen Hörer*innen und Leser*innen die Freiheit gelassen wurde, selbst zu entscheiden, wie weit sie ihm folgen wollten.

Am 12. November 2019 verstarb nach schwerer Krankheit Pater Gabriel Simon.

Bonifatius Hengst SSCC

1895 startete Bruder Bonifatius seine Reise in eine ihm unbekannte Welt: Acht Tage benötigte der Dampfer von Le Havre nach New York. Dort tauschte er das Schiff mit der Eisenbahn und reiste in weiteren acht Tagen quer durch den amerikanischen Kontinent nach San Francisco. Weiter ging es dann in drei Wochen per Schiff über den Pazifik zu den Marquesas-Inseln.

Bruder Bonifatius wunderte sich, dass die Hauptstadt Nuku Hiva nichts anderes war als ein größeres Dorf. Die Ruderer, die einen Kolonialbeamten an Bord brachten, »waren nur mit dem Allernotwendigsten bekleidet, so dass man die ganze Tätowierung ihres Körpers sehen konnte, die ihnen ein wildes Aussehen gab«. 

Von nun an war er ständig unterwegs, denn die Missionsstationen lagen weit auseinander. Mehrtägige Fahrten in winzigen Segelbooten der Indigenen machten ihn seekrank und brachten ihn bei einem Schiffbruch auch in akute Lebensgefahr. Entschädigt wurde er durch die herzliche Aufnahme bei den Mitbrüdern, die oft jahrzehntelang auf diesen einsamen Außenposten ausgehalten hatten. Der kräftige und vielseitig begabte Ordensbruder war hochwillkommen.
 
Bonifatius war gelernter Schuhmacher und handwerklicher Alleskönner. Er schreibt: »Nirgends ist der Mangel an Handwerkern so groß wie dort, und man muss eben alles können. Der Missionsbruder ist heute Schrei- ner, morgen Anstreicher, übermorgen Maurer, Lehrer, Krankenpfleger, Katechet, Kalkbrenner usw.«

Er bereitete Kinder und Erwachsene auf den Empfang der Sakramente vor und hat nach eigenen Angaben viele getauft, wenn kein Priester erreichbar war. Für die älteren und kranken Patres reiste er ins Landesinnere und besuchte alte und gebrechliche Menschen. Mit frommem Schaudern können die Apostelleser:innen erfahren, wie der Bischof und der Ordensbruder in gemeinsamer Anstrengung Pakaapa zur Taufe führen, »Pakaapa, der letzte Menschenfresser der Marquesas, den wir noch nicht bekehrt hatten«. 

Bruder Bonifatius will Seelen für Christus gewinnen. Er kämpft dabei gegen die alten einheimischen Kulte, gegen »Missionare« anderer Glaubensgemeinschaften und gegen französische Amtspersonen und europäische Geschäftsleute, die alles andere als glaubwürdige Repräsentanten des Glaubens sind, den er und seine Mitbrüder verkünden.

1913 verunglückt er beim Abriss einer Kapelle. Ein Bein wird schwer verletzt, und er wird nach Simpelveld zurückgesandt. 1914 meldet er sich schon wieder als freiwilliger Rotkreuzhelfer an die Front, muss 1916 aber aus gesundheitlichen Gründen nach Simpelveld zurückkehren. Noch viele Jahre lang reist er nach Kriegsende durch Deutschland und erzählt in den »Gesellen- und Arbeitervereinen« von seinen 18 abenteuerlichen Jahren in der Mission. 

Chrysostomus Lauenroth SSCC

Pater Chrysostomus wird in Paderborn geboren. Als er seine Berufung entdeckt, gibt es die Deutsche Provinz noch nicht. Deshalb tritt er in Kortrijk (Belgien) in unsere Gemeinschaft ein. In Belgien (Gent) wird er 1910 auch zum Priester geweiht und macht schon bald von sich reden. Mitten im Ersten Weltkrieg betreibt er die Gründung eines Sekretariates der Thronerhebung. In Arnstein gehört er zur Gründermannschaft, und als Volksmissionar zieht er durch Süddeutschland, Böhmen und Österreich. Die Menschen laufen ihm zu. 1925 predigt er im Bamberger Dom. Bei seiner Schlusspredigt ist der Dom so voll, dass sich der Erzbischof und die Domkapitulare kaum durch die Massen drängen können.

Chrysostomus predigt, schreibt und baut. In Arnstein verändert er eigenmächtig den Hochaltar und gibt ihm die heutige Gestalt. Die Denkmals pflege steht oft vor vollendeten Tatsachen, und Pater Chrysostomus wird der Ausspruch zugeschrieben: »Nun rate nur mein lieber Rat, ich bin der Mann der frischen Tat.« Weitere bauliche Aktionen werden ihm vom Bistum strengstens verboten. Diese Streitigkeiten hemmen nicht den Ausbau Arnsteins als Zentrum der Thronerhebung in Deutschland. Bald tauchen jedoch Auseinandersetzungen weitaus ernsthafterer Natur auf. Pater Crysostemos erkennt klar die Gefahr des Nationalsozialismus und nimmt kein Blatt vor den Mund. 1930 schreibt er im Apostel, »... dass solche und ähnliche Versuche, das Vaterland zu retten, das Vaterland zugrunde richten«. Seit 1933 haben die Machthaber ihn und Kloster Arnstein im Blick.

Pater Chrysostomus hat weitreichende Pläne. Auf dem Jakobsberg in Bingen will er mit einigen Getreuen direkt gegenüber dem Niederwalddenkmal eine 18 Meter hohe Christ-König-Statue auf einem Kuppelbau errichten lassen. Die Baugenehmigung ist nicht erteilt, aber Geld wird gesammelt und der Grundstein ist auch schon gelegt. Das Geld schmuggelt er in die Niederlande, doch der Versuch wird entdeckt und Pater Chrysostomus muss sich 1935 wegen »Devisenver gehen« vor Gericht verantworten. Das Urteil ist hart: zweieinhalb Jahre Zuchthaus. Er nennt die Zeit »Pensionszeit von Hitlers Gnaden«. Als er entlassen wird, steht der Zweite Weltkrieg vor der Tür und bremst auch ihn aus.
 
Vom Denkmal auf dem Jakobsberg blieben die Pläne im Provinzialat. Von seinem Eifer erzählen seine unzähligen »Apostel« Artikel, Schriften zur Herz-Jesu-Verehrung und ein Gedichtband mit dem Titel »Lyrik die jeder versteht und keinem den Kopf verdreht« 

Athanasius Kulbach SSCC

Gregor Kulbach wurde 1914 in Hausen im Westerwald geboren. Er war einer der ersten Schüler der neu gegründeten Missionsschulen in Waldernbach und Lahnstein. In Weibern trat er ins Noviziat ein. Während seines Theologiestudiums in Trier wurde er zur Wehrmacht eingezogen und verbrachte dann drei Jahre als Sanitätssoldat in Russland. 1944 kam er in sowjetische Gefangenschaft, aus der er erst 1955 mit den letzten Kriegsgefangenen entlassen wurde. Danach vollendete er sein Studium in Simpelveld, legte 1956 seine Feierliche Profess ab und wurde im gleichen Jahr zum Priester geweiht. 1962 wurde Pater Athanasius nach Norwegen versetzt, wo er an verschiedenen Orten bis 1989 als Pfarrer wirkte.

Pater Athanasius war nicht nur Theologe und Seelsorger, sondern auch Musiker – er komponierte, spielte mehrere Instrumente und wirkte zeitlebens als Chorleiter – und sehr temperamentvoll: Es konnte vorkommen, dass ein Mitbruder, der den Rhythmus nicht beachtete, seinen Taktstock aufs Haupt bekam. In Norwegen komponierte er Antiphonen und Messen für alle Sonntage des Kirchenjahres. Als Erster wagte er es, Kirchenlieder der lutherischen Kirche in ein katholisches Gesangbuch aufzunehmen. Das geschah nicht ohne Widerstand, aber wenn es um Überzeugungen ging, konnte er kämpfen. Schon als einfacher Soldat empfing er mit der Feldpost die Predigten des Münsteraner Bischofs von Galen und verteilte sie weiter. Die Jahre der sowjetischen Gefangenschaft haben ihn tief geprägt. Er lernte Russisch und schwärmte zeitlebens von dieser »alten Kultursprache«. Als Gefangener bettelte er in orthodoxen Kirchen um Brot und Wein für die katholischen Lagergottesdienste und wurde selten abgewiesen. Den Wein teilte er dann mit dem evangelischen Pfarrer für dessen Abendmahl. Er sprach immer respektvoll von den Menschen Russlands und der orthodoxen Kirche.

Als Pater Athanasius im Alter von 48 Jahren nach Norwegen kam, erlernte er die Sprache auf hohem Niveau und wurde aufgrund seines Allgemeinwissens und seiner Gelehrsamkeit ein gesuchter Gesprächspartner. Er hatte zahlreiche Kontakte mit Geistlichen der lutherischen Staatskirche. Die Ökumene war ihm ein Herzensanliegen. Bei seiner Beerdigung 1994 in Norwegen waren neben den Mitbrüdern drei lutherische Pfarrer zugegen.

Dag Skogheim, ein bekannter norwegischer Journalist und Historiker, der sich selbst als Agnostiker bezeichnete, widmete ihm folgenden Nachruf: »Es war eine große Bereicherung, Pater Kulbach zu treffen und mit ihm bekannt zu werden. Er war ein feiner Mensch, der in sich breites Wissen und geistige Weite beinhaltete. Seine Einstellung zum Leben und all dessen Ausdrucksformen war geprägt von einem tiefen Verständnis und Respekt, den man nur bei Menschen findet, die viel gesehen und erlitten haben.«