Zum Hauptinhalt springen

Ein Grabstein mit Namen, ein Grab mit Namenlosen

NS-Gedenkstätte Klosterfriedhof Arnstein
(56379 Obernhof/Lahn)

Am 27. Januar 2023 wurde auf dem Klosterfriedhof Arnstein zum ersten Mal aller Opfer des Holocaust gedacht.

Warum an diesem Ort?

Der Grabstein trägt den Namen des Klostervorstehers Pater Alphons Spix SSCC. In seinem Grab beigesetzt ist die Urne aus dem Konzentrationslager Dachau, die die Asche von einem oder von mehreren KZ-Opfern enthält.

Von dieser Kanzel in der ehemaligen Arnsteiner Klosterkirche predigte Pater Alphons Spix im November 1941. Er nahm erst da wahr, dass die polnischen Zwangsarbeiter:innen aus dem benachbarten Singhofen wieder am Gottesdienst teilnahmen. Wegen „Polenseelsorge“, wie es im NS-Jargon hieß, war Pater Spix bereits zuvor von der Gestapo verhört worden. Es war ihm strengstens verboten worden, sich weiterhin als Seelsorger um polnische Gläubige zu kümmern.

Am 19. November 1941 wurde Pater Spix von der Gestapo festgenommen. Nach drei Monaten in Untersuchungshaft in Frankfurt am Main brachte man ihn am 29./30. Januar 1942 in das Konzentrationslager Dachau bei München.

Alle Bemühungen der Ordensgemeinschaft sowie der Familie, ihn wieder frei zu bekommen, waren erfolglos geblieben.

Am 09. August 1942 endete das Leben von Pater Spix in der Krankenbaracke des Konzentrationslagers. Ob er dort getötet wurde oder entkräftet an einer Infektion starb, lässt sich nicht klären. Auf dem Totenschein steht die übliche Floskel: Herz- und Kreislaufversagen bei Darmkatarrh.

Der Tote wurde im Krematorium eingeäschert, wie alle im KZ Getöteten oder Verstorbenen. Wenn die Familie eine Urne zur Beisetzung wünschte, wurden, wie man von Augenzeugen weiß, Asche und Knochenstückchen vom Boden aufgekehrt und in die Urne gefüllt. In den seltensten Fällen enthielt die Urne die Asche des Verstorbenen.

So schrieb der Provinzial Pater Constans Dierker sscc 1947 in einem Rundbrief:
„Waren es auch nicht die letzten Reste der Leibeshülle unseres lieben Verstorbenen, so waren es mit größter Wahrscheinlichkeit doch die letzten Reste irgendeines anderen Opfers unmenschlicher Grausamkeit.“

Am Grab selbst gibt es weder einen Hinweis auf den Tod des Paters im KZ-Dachau noch auf die im Grab beigesetzten „letzte Reste“ eines oder mehrere Opfer(s) der NS-Diktatur.

Erst 1987 wurde die Gedenkplatte eingeweiht. 2013 wurde ein Stolperstein am Eingang zum Kirchweg verlegt. Auf einem RollUp in der Kirche wird inzwischen auch auf die namenlosen Opfer im Grab aufmerksam gemacht.

Im Zuge der umfangreichen Renovierung der Kirche St. Maria und St. Nikolaus (ehemalige Klosterkirche Arnstein) ist ein Erinnerungs- und Gedenkort in der Kirche in Planung.

Die Initiative NS-Gedenkstätte Klosterfriedhof Arnstein ist (Gründungs-)Mitglied des Vereins Erinnern & Gedenken in Rheinland-Pfalz - Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten, Erinnerungsorte und Initiativen

Text und Fotos: Stefan Diefenbach

HÖRmahl Nummer 99: Die Geschichte von Pater Alphons Spix

HÖRmahl-Logo

Berichte der Presse

Stolperstein