Sie sahen besser aus …

Gedanken zum Fleischverzehr

Im Jahr 2018 wurden nach Auskunft des Bundeslandwirtschaftsministeriums pro Person in Deutschland durchschnittlich mehr als 60 Kilogramm Fleisch verzehrt. Mit den folgenden Überlegungen möchte ich Sie einladen, sich über Ihren eigenen Fleischkonsum Gedanken zu machen. Wie immer, wenn es um den konkreten eigenen Lebensstil geht, stellen sich dabei unter anderem zwei Fragen:

 

•    Was bedeuten meine lieb gewonnenen und eingeübten Gewohnheiten – hier der Genuss von Fleisch – für mich selbst? Tun sie mir gut?

•    Was bedeuten diese Gewohnheiten für meine Mitwelt, für die anderen Menschen und die gesamte Schöpfung?

Am Anfang steht zumeist eine innere Abwehrhaltung. Ja, es stimmt, dass jeder Fluggast auf einem Flug von Deutschland nach Gran Canaria mehr als sechsmal so viel CO2-Ausstoß verursacht wie durch seinen jährlichen Fleischkonsum. Es stimmt auch, dass sich durch die Nutzung von Ökostrom bei einem jährlichen Verbrauch von 1000 Kilowattstunden nach Auskunft des Umweltbundesamtes 3,3-mal so viele Treibhausgasemissionen einsparen lassen wie durch die Halbierung des Fleischverzehrs.  
 
Auch wenn es zutrifft, dass eine Verringerung des Fleischkonsums den Ausstoß von CO2 nicht wesentlich verringert; auch wenn selbst die Umweltbelastung durch Methan weniger stark ist als bisher angenommen, weil Methan im Unterschied zu CO2 bereits innerhalb von 10 und nicht erst nach 1000 Jahren abgebaut ist:  Es lohnt sich, über das Fleisch auf dem eigenen Speiseplan nachzudenken. Schließlich werden für ein Kilogramm Rindfleisch 15.000 Liter Wasser benötigt. Zum Vergleich: Für ein Kilogramm Kartoffeln braucht man 250 Liter Wasser. Und schon heute leiden mehr als eine Milliarde Menschen an großem Wassermangel. Auch die Rodung von Wäldern und die Erweiterung von Agrarflächen zur Produktion von Tiernahrung tragen zu einer stärkeren Belastung durch Treibhausgas und zum langsameren Abbau desselben bei.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, wöchentlich nur 300–600 Gramm Fleisch zu essen. Auch zu den Fleischsorten und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit macht sie Aussagen und setzt sich mit Erkenntnissen anderer Organisationen auseinander.  Wie gesund oder gefährdend Geflügel, Lamm-, Rind- oder Schweinefleisch sind, mag wissenschaftlich nur bedingt erwiesen sein. Aber der Fleischkonsum hat nicht nur gesundheitliche und ökologische Aspekte. Auch ethische und wirtschaftliche Aspekte sind zu berücksichtigen: Ein hoher Fleischverbrauch verführt zu Bedingungen in der Tierhaltung, die das Tierwohl gefährden, und teilweise zur Tierquälerei. Gleichzeitig führen niedrige Fleischpreise dazu, dass Landwirte auf Massenproduktion setzen müssen, um wirtschaftlich zu überleben.

Könnte nicht die Bereitschaft, auf die Hälfte des Fleischkonsums zu verzichten und für 500 Gramm den Preis zu zahlen, den wir heute für ein Kilogramm zahlen, viele positive Wirkungen haben, gesünder, ökologischer, ökonomischer und ethischer sein? Der Abschnitt Nr. 211 in der »Umwelt«-Enzyklika von Papst Franziskus »Laudato si‘« (2015) ermutigt mich, solch einen einfachen Gedanken zur Orientierung anzubieten. In diesem Abschnitt weist Papst Franziskus auf die konkreten Schritte im Alltag hin und ermutigt, einander in diesem Bewusstsein zu bilden, um unter anderem den Wasserverbrauch einzuschränken und nur so viel zu kochen, wie man auch essen kann. Die philippinische katholische Bischofskonferenz hat mit einem am 28. Januar 2022 veröffentlichten Schreiben die gemeinsame Sorge um die Schöpfung angemahnt.  Sie nimmt die Covid-19-Erfahrung und die daraus erwachsene weltweite Bedrohung zum Anlass, erneut an die gemeinsame Verantwortung der Menschen für die ganze Schöpfung zu erinnern. Sie unterstreicht, dass die christliche Verantwortung eine ökologische, ökonomische, ethische und soziale sowie bei alledem eine weltweite Verantwortung ist.

Mich hat auch die Erzählung im ersten Kapitel des Buches Daniel (Verse 8–21) angeregt, über den Fleischverzehr nachzudenken:

»Daniel fasste den Entschluss, sich nicht mit den Speisen und dem Wein der königlichen Tafel unrein zu machen, und er bat den Oberkämmerer darum, sich nicht unrein machen zu müssen. Gott ließ ihn beim Oberkämmerer Wohlwollen und Nachsicht finden. Der Oberkämmerer sagte aber zu Daniel: Ich fürchte meinen Herrn, den König, der eure Speisen und eure Getränke zugewiesen hat; er könnte finden, dass ihr schlechter ausseht als die anderen jungen Leute eures Alters; dann wäre durch eure Schuld mein Kopf beim König verwirkt. Da sagte Daniel zu dem Aufseher, den der Oberkämmerer über Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja eingesetzt hatte: Versuch es doch einmal zehn Tage lang mit deinen Knechten: Man gebe uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken! Dann vergleiche unser Aussehen mit dem der Knaben, die von den Speisen des Königs essen! Je nachdem, was du dann siehst, verfahr weiter mit deinen Knechten! Der Aufseher nahm ihren Vorschlag an und versuchte es zehn Tage lang mit ihnen. Am Ende der zehn Tage sahen sie besser und wohlgenährter aus als all die Knaben, die von den Speisen des Königs aßen. Da nahm der Aufseher ihre Speisen und den Wein, den sie trinken sollten, weg und gab ihnen Gemüse. Und Gott verlieh diesen vier Knaben Wissen und Einsicht in jede Schrift und Weisheit; Daniel verstand sich auf Visionen und Träume aller Art. Und nach Ablauf der Tage, die der König bestimmt hatte, um sie vortreten zu lassen, da ließ sie der Oberkämmerer vor Nebukadnezar treten. Der König unterhielt sich mit ihnen und fand Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja allen anderen überlegen. Sie traten also in den Dienst des Königs. Sooft der König in Fragen, die Weisheit und Einsicht erfordern, ihren Rat einholte, fand er sie allen Zeichendeutern und Wahrsagern in seinem ganzen Reich zehnmal überlegen. Daniel blieb im königlichen Dienst bis ins erste Jahr des Königs Kyrus.«

Daniel lässt sich nicht in Versuchung führen von den wunderbaren Speisen und Getränken am königlichen Hof. Und am Ende sehen er sowie Hananja,  Mischaël und Asarja besser und wohlgenährter aus als die anderen Knaben. Vielleicht kann das ein Anreiz sein, die lieb gewonnene Gewohnheit, Fleisch zu essen, einmal zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern – und das nicht nur in der Karwoche.

Von Pater Manfred Kollig SSCC