Auf dem Weg zu einer ehrenamtlichen Kirche?

Schon seit 2010 wurden im Bistum Magdeburg sogenannte VOLK-Teams (Vor Ort lebt Kirche) in den Gemeinden angeregt. Es ist der Versuch, eine neue Struktur der Nähe zu schaffen, indem Menschen gesucht werden, die vor Ort Verantwortung dafür übernehmen, dass Kirche in ihren Grunddiensten lebendig bleibt. Seit 2015 gibt es zudem vom Bischof beauftragte »Pfarreileitungsteams«. Hier leiten ehrenamtliche Laien zusammen mit einem Priester eine Pfarrei mit ihren Gemeinden. Inzwischen werden bereits 15 von 44 Pfarreien im Bistum Magdeburg von einem Team mit Ehrenamtlichen geleitet werden. Sie inspirieren und koordinieren das kirchliche Leben vor Ort und die Präsenz der Kirche in der städtischen Zivilgesellschaft oder der Dorfgemeinschaft. Am 1. September dieses Jahres wurde nun ein weiterer Prozess hin zu einer ehrenamtlichen Kirche in Gang gesetzt. Das Bistum Magdeburg wurde in elf Pastoralregionen aufgeteilt. Zukünftig wird das hauptamtliche pastorale Personal jeweils für eine gesamte Region zuständig sein und steht nicht nur einer bestimmten Pfarrei zur Verfügung. Gesteuert werden die einzelnen Regionen und der Einsatz der Hauptamtlichen jeweils gemeinsam von zwei sogenannten Regionalkoordinator:innen (Gemeindereferent:innen und Priester), die aus dem Kreis der pastoralen Mitarbeiter:innen vorgeschlagen und vom Bischof beauftragt werden.  

Das Bistum Magdeburg ist mit ca. 74.000 Katholik:innen personell das zweitkleinste und flächenmäßig das viertgrößte Bistum in Deutschland. Knapp 3 % der Bevölkerung gehören zur katholischen Kirche. »Ausgangspunkt für diese Veränderungen ist die Personalnot und zugleich die Entscheidung von Bischof Dr. Gerhard Feige, Pfarreigebiete nicht immer größer zu machen«, so Dr. Friederike ­Maier, die zuständige Leiterin des Fachbereichs Pastoral in Kirche und Gesellschaft im Bistum. Frau Maier hofft, dass durch die Pastoralregionen, die auf kollegiale Zusammenarbeit bei den hauptamtlichen Mitarbeiter:innen ausgerichtet sind sowie eine gemeinsame Verantwortlichkeit von Haupt- und Ehrenamtlichen erfordern, neue innovative Entwicklungen angestoßen werden. Die Hauptamtlichen werden zukünftig noch viel weniger als »Macher:innen« tätig werden, sondern eine unterstützende, beratende und ermöglichende Rolle spielen. Die Verantwortung für die Kirche und das Christsein vor Ort werden vor allem die Ehrenamtlichen übernehmen müssen. Auf die Frage, wie sich denn die Pastoralräume von dem Modell der Großpfarreien, wie sie in vielen anderen Bis­tümern eingerichtet werden, unterschieden, antwortete Dr. Friederike Maier: »Bei uns wird nicht alles an der Zahl der Pfarrer ausgerichtet. Wir wollten kleinere Einheiten nah bei den Menschen und keine Groß­pfarreien. Möglichst vieles soll von den Menschen direkt vor Ort entschieden werden. Hauptamtliche sollen zukünftig in erster Linie unterstützen und ermöglichen und nicht alles selber machen. So erproben wir den Weg zu einer ehrenamtlichen Kirche. Und: Vielleicht führen diese neuen Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten ja dazu, dass die oft noch lähmende Angst vor dem Verlust des Gewohnten einer Haltung der Zuversicht weicht.« Dieses zahlenmäßig kleine Bistum, in einem fast vollständig säkularen Umfeld, ist auch in anderen Bereichen erstaunlich innovativ: Schon seit vielen Jahren gehört die Feier der Lebenswende – als alternatives Angebot zur Jugendweihe für konfessionslose Jugendliche – zu einem festen und gut genutzten Angebot im Bistum. Zudem gibt es mehrere Projekte des Bistums, bei denen die Mitgestaltung des Lebens in der Stadt und das Engagement für gesellschaftlich relevante Themen wie Demokratieförderung im Fokus sind.

Die Kirche im Bistum Magdeburg versteht sich als »schöpferische Minderheit«, die sich in die Gesellschaft als kleine, aber aktive Akteurin einbringt. Und wenn nicht alles täuscht, dann könnte einiges, was im kleinen Diaspora-Bistum Magdeburg erprobt wird, auch für andere Bistümer in Deutschland wichtige Anregungen bringen, damit eine veränderte Kirche in einer stark veränderten Gesellschaft aus der Not eine Tugend machen kann: statt machtvoller Volkskirche zur mitmachenden Kirche im Volk werden.

von Thomas Meinhardt