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Nachricht aus der Nachbarprovinz

In der Osterzeit 2020, die so ganz anders ist, als wir es kennen, erreichte uns am 28. April eine Nachricht aus der niederländischen SSCC-Provinz von unserem Mitbruder Jan Wouters, Oberer in Teteringen. Seine Kommunität wurde in fünf Corona-Wochen von 10 auf 4 Brüder reduziert. Wir sind tief betroffen.


 

Liebe Mitbrüder,

Ich sende Euch diesen Brief mit einem Überblick über die Ereignisse der letzten Wochen.

Zuerst die Fakten:

Ben van Delden starb am Sonntagnachmittag, dem 8. März. Ben war 91 Jahre alt, und sein Gesundheitszustand war seit einiger Zeit schlecht. Er schlief ein, kurz nachdem er darum gebeten hatte, ihm eine Schüssel Suppe zu bringen. Als wir ihm diese brachten, zeigte sich, dass er in der Zwischenzeit gestorben war.

Am Freitag, dem 27. März, dem Todestag des Bon Père, verstarb Jan Groot Zevert, nachdem er sich einige Tage lang unwohl gefühlt hatte. Er starb aber völlig unerwartet.  Möglicherweise hatte er Corona, aber an diese Möglichkeit haben wir nicht gedacht, und auch der Arzt hat nichts festgestellt. Jan war 89 Jahre alt.

Jan Munsters starb am Dienstag, dem 31. März, mit 86 Jahren an Corona. Er wurde einige Tage vorher ins Krankenhaus eingeliefert, wo ich mich am Sonntag dem 29. März, von ihm verabschieden konnte. Unmittelbar danach wurde ich zwei Wochen lang unter Quarantäne gestellt.

Am Mittwoch dem 1. April wurde klar, dass Cor Rademaker Corona hatte. Er war zwei Tage zuvor in der Kapelle gefallen und hatte sich die Hüfte gebrochen. Im Krankenhaus stellte sich heraus, dass er Corona hatte.

Wir, die ganze Kommunität, wurden dann unter Quarantäne gestellt.


Jan Groot Zevert wurde am Freitag den 3. April begraben. Keiner von uns konnte wegen der Quarantäne an der Beerdigung teilnehmen. Trotzdem gab es in der Kapelle der Steyler Missionare, die neben uns wohnen, einen gut gestalteten Wortgottesdienst. Dieser Wortgottesdienst wurde von Leuten aus der Gemeinde vorbereitet, in der Jan noch am Sonntag einen Gottesdienst gehalten hatte. Leider konnten aufgrund der allgemein geltenden Anti-Corona-Maßnahmen nur insgesamt 30 Personen teilnehmen.

Jan Munsters wurde am Montag, dem 6. April , begraben. Keiner von uns nahm an der Beerdigung teil. Mit Hilfe einer Videoübertragung konnten wir jedoch die Eucharistiefeier verfolgen, die in der Pfarrkirche gefeiert wurde, in der Jan gearbeitet hat.  Trotz der Einschränkungen war dies auch ein sehr würdiger Abschied.

Cor Rademaker starb am Gründonnerstag, dem 9. April, im Alter von 89 Jahren.

Frans Voskuil wurde am selben Tag wegen Corona ins Krankenhaus eingeliefert. Er verstarb unerwartet am Karsamstag dem 11. April. Frans war ein großer, starker Mann und nie krank. Wir gingen davon aus, dass er sogar die Aufnahme auf die Intensivabteilung überleben würde. Frans wurde 92 Jahre alt.

Theo van Zoggel hatte ebenfalls Corona, allerdings nur in einer leichten Form. Er musste zum Glück nicht ins Krankenhaus.

Michel Rameckers verstarb am Ostersonntag dem 12. April. Er wurde 95 Jahre alt. Einige Monate zuvor war er in ein Pflegeheim eingeliefert worden. Wir haben ihn jede Woche besucht, mindestens einmal, manchmal zwei- oder  dreimal. Er freute sich sehr auf jeden Besuch und war immer glücklich, wenn Leute kamen. Als er wegen der Coronakrise keinen Besuch mehr empfangen durfte, sagte er bald: "Dann macht das Leben keinen Sinn mehr. Ich habe nichts anderes, als meine Mitbrüder“.  Keiner von uns war da, als er starb, zum Glück war jedoch ein Cousin anwesend.

Cor Rademaker wurde am Dienstag dem 14. April begraben. Es gab keine  Eucharistiefeier, da die Kapelle der Steyler Missionare,  die wir vorher benutzen konnten, wegen der Quarantäne aller Bewohner des Gebäudes vollständig geschlossen war. Es gab nur eine einfache Liturgie  auf dem Friedhof. Keiner von uns war da. Ein Steyler Missionar aus einer benachbarten Gemeinde leitete die Beerdigung.

Frans Voskuil wurde am Freitag dem 17. April begraben. Auch dieses Mal mussten wir auf die Feier der Eucharistie verzichten. Keiner von uns nahm an der Beerdigung teil. Die in Rotterdam lebende Provinz der Steyler Missionare  leitete die Beisetzung.

Michel Rameckers wurde am Samstag dem 18. April begraben. Auch hier gab es  keine Feier der Eucharistie, aber weil unsere Quarantäne an diesem Tag aufgehoben wurde, konnten wir Michel auf dem Friedhof die  Ehre erweisen, die er verdient hat. Wir, das waren die einzigen Mitglieder der Gemeinschaft, die nach diesen fünf Wochen noch lebten und bei guter Gesundheit waren.

Unsere Erfahrungen in diesen fünf Wochen sind leicht zu erraten: Unglaube, Angst und Unsicherheit, Traurigkeit, Glaube gegen ein besseres Wissen.

Jan Groot Zevert starb am Todstag des Bon Père. Jan starb völlig unerwartet, ich fand ihn morgens tot im Bett. An diesem Tag war ich an der Reihe, die eucharistische Anbetung zu leiten, aber ich war aufgrund großer Emotionen nicht in der Lage, die Predigt zu halten, die ich geschrieben hatte. Sie wurde dann von den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft Stück für Stück vorgelesen.

Als Sekretär der Delegation - und krankheitsbedingt als Stellvertreter  von Jan Munsters – fielen mir die Aufgaben zu, die mit den Todesfällen und der den Beerdigungen zu tun hatten. Ich bekam  die Anrufe vom Krankenhaus oder vom Hausarzt, wenn ein Mitbruder starb. Weil damals auch sehr viele Anrufe von Verwandten, Bekannten und Freunden der Verstorbenen eingingen, hatte ich immer die Angst, das wiederum ein Mitbruder gestorben war. Und immer wieder musste ich den Mitgliedern der Kommunität mitteilen, dass wiederum ein Mitbruder gestorben war. Und wiederum konnten wir nicht anwesend sein. Außer dem einzigen Mal, bei dem  ich mich von Jan Munsters im Krankenhaus verabschieden konnte, konnten wir in seinen letzten Stunden oder Tagen kaum jemandem persönlich beistehen.

Trotz allem konnte ich am Ostersonntag – dem Todestag von Michael Rameckers – schreiben: "Michel kann wie Jesus sagen: Sag meinen Brüdern, dass ich am Leben bin ". Als wir am Karfreitag hörten, dass Jan Munsters und Cor Rademaker, Theo van Zoggel und Frans Voskuil ebenfalls vom Coronavirus betroffen waren sagten wir: „Vater, warum hast du uns verlassen?“ Aber am Ostertag brach doch in uns etwas Freude hervor: "Sag meinen Brüdern, dass ich am Leben bin. Ich steige zu meinem Vater auf".

Edward Schillebeeckx – ein berühmter niederländischer Theologe – schrieb einmal, dass die frühchristlichen Gemeinschaften eine tiefe Krise von etwa 20 bis 30 Jahren erlebten, bevor sie zum wahren Bewusstsein der Auferstehung kamen und den Glauben an den Auferstandenen in Worte fassen konnten und feiern konnten. „Auferstehung ist harte Arbeit.“ Wir unterziehen uns  jetzt dieser Arbeit.

Wir sind von einer Kommunität von zehn Personen in fünf Wochen auf eine Gemeinschaft von vier Brüdern reduziert worden: Rogier van Rossum, Frans Waalders, Theo van Zoggel und ich. Theo leidet immer noch an den Folgen der Coronainfektion. Er ist sehr geschwächt und es geht ihm wirklich nicht gut. Wir hoffen auf das Beste, aber wir fürchten das Schlimmste.

Dies ist unsere Situation, liebe Brüder. Wir leben  zwischen Hoffnung und Angst und sind glücklich mit jedem guten Tag, der uns gegeben wird.

Glücklicherweise fühlen wir uns eins, eins als Brüder SSCC.

Mit freundlichen Grüßen

Jan