Die Herausforderungen der mexikanischen Ordensprovinz

Es ist bekanntlich ein allgemeines Phänomen, dass Ordensgemeinschaften weltweit überaltern. Die mexikanische Provinz unserer Gemeinschaft ist diesbezüglich keine Ausnahme. Die mexikanischen SSCC-Patres werden langsam älter, und es kommen keine neuen Berufungen. Dies ist aber nur ein Aspekt unserer komplexen Realität. Tiefergehend und damit wichtiger ist für uns momentan die Fragestellung: Wie leben wir die Nachfolge Christi? Wie sorgen wir uns um die innere Lebenseinstellung unserer Mitbrüder? Wie können wir besser dem Volk Gottes dienen? Diese drei Fragen beschreiben die Herausforderungen, die die Ordensprovinz mit Blick auf das nächste Provinzkapitel, Ende April/Anfang Mai 2024, systematisch vorbereitet. Eine Fragestellung ist hierbei für uns: Wohin ruft uns Gott in diesem Moment des Lebens unserer Provinz? Vor gut 15 Jahren konfrontierte uns die Generalleitung der Ordensgemeinschaft mit einigen zentralen Frage: Warum sind die Mitbrüder vor allem in der großen Stadt, also in Mexiko City, konzentriert? Warum suchen die mexikanischen Mitbrüder keine zusätzliche Seelsorge außerhalb der Arbeit in den Pfarreien? Warum gibt es keine weiteren Einkommensquellen neben den Pfarreien? Diese Fragen sollen eine Grundlage sein, die uns hilft, im Geist des Herrn unsere Motive zu überprüfen, um eine solide Entscheidung für die nächsten Jahre zu treffen. Es geht grundsätzlich darum, wie wir zukünftig pastoral arbeiten wollen. In den fünf Pfarreien in Mexiko City arbeiten wir durchaus hart und intensiv, doch wir folgen dabei einem traditionellen Modell der Seelsorge: Eucharistiefeier an jedem Tag, sonntags bis zu sieben Messen, Sakramentenseelsorge, vor allem Bußsakrament (Beichte) und Krankensalbung. Unsere Pfarreien bieten keine wirklich alternative Seelsorge an. Es sind die typischen Gruppen und Angebote, die man überall in Mexiko finden kann: Kinderkatechese, Liturgie, karitative Hilfe, und in einigen Orten das Bibelteilen. Und dabei muss man feststellen, dass wir nicht immer nach Möglichkeiten suchen, uns pastoraltheologisch aufzufrischen.

Ich will damit nicht sagen, dass diese Pastoralarbeit schlecht ist. Sicherlich leistet jeder Mitbruder eine gute pastorale Arbeit. Aber unsere Überlegungen sind fast immer auf die zentralen Orte ausgerichtet. Also ist die Pfarrei (in der großen Stadt) der einzige Ort, wo wir als SSCC-Patres dienen können oder sollen? Ist unser Charisma denn nicht ein Charisma der Barmherzigkeit? Wenn wir diese Barmherzigkeit teilen wollen, und zwar mit denjenigen, die keine Barmherzigkeit erleben, müssen wir dann nicht in die Randbezirke gehen?

Die einzigen zwei Gemeinden, in denen wir eine alternative Pastoralarbeit machen, sind zurzeit die Gemeinden San Pedro Cuayuca – die auf dem Land liegt, im Bundesstaat Puebla, etwa 60 Kilometer von Puebla City entfernt –, und die Kommunität von Guadalajara, im Bundesstaat Jalisco, wo das Ausbildungshaus der mexikanischen Provinz beheimatet ist. In Guadalajara gibt es eine Kooperation mit der Migrant:innenherberge »El Refugio«, wo viele Frauen und Männer aus mehreren Ländern Unterkunft, Essen und Kleidung erhalten. Dort können sie sich etwas erholen, bevor ihr Weg sie weiter in die USA führt. Das ist jedoch eine echte Ausnahme gegenüber der vorherrschenden Art traditioneller Pfarreiarbeit in der mexikanischen Provinz.

Als mexikanische Provinz haben wir eine Kommission von zwei Mitbrüdern ernannt, die uns helfen soll, eine grundsätzliche Reform unserer pastoralen Schwerpunkte vorzunehmen, denn hier liegt seit langem eine dringende Herausforderung.

Doch das ist sicher nicht die einzige dringende Aufgabe, und vielleicht auch nicht die wichtigste. Auf der anderen Seite stehen andere Aspekte, wie unser Lebensstil als Ordensmänner. Denn wir dürfen nicht nur als eine Gruppe von einzelnen Priestern zusammenleben, sondern – und so sollte es sein – wir müssen unser Leben als Gemeinschaft führen.

So steht unser Ordensleben selbst im Zentrum dieser notwendigen Reflexion. Denn wir wissen: Entweder verbessern wir unsere Lebensqualität als Ordensmänner, oder unsere Sendung wird nicht entsprechend dem Evangelium wachsen.

In diesem Sinne müssen wir neue Wege suchen, um für die innere Lebenseinstellung aller Mitbrüder zu sorgen. Wir arbeiten also am Thema des inneren Lebens als Ordensgemeinschaft, und das ist für die mexikanische Provinz wirklich ein dringendes Thema. In den letzten drei Jahren sind drei Mitbrüder aus unserer Gemeinschaft ausgetreten, und bei jedem kann man im Hintergrund etwas Gemeinsames finden, und zwar die mangelnde Sorge um ihr persönliches Leben als Ordensleute. Warum haben sie sich für den Austritt entschieden? Sicherlich nicht, weil sie schlechte Menschen sind. Ich glaube, weil die Provinzleitung sich um diesen Aspekt der persönlichen Spiritualität nicht richtig gekümmert hat.

Es ist sehr wesentlich, unseren Blick auf das Evangelium und die Art und Weise der Nachfolge Christi auszurichten. Das Matthäusevangelium erinnert an ein klares Wort des Herrn: »Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben.« (Mt 6,33) Ja, nach dem Reich Gottes zu trachten, soll unsere erste Sorge sein. Wir folgen Christus und nicht uns selbst, wir suchen das Reich Gottes und keinen pastoralen Erfolg. Wir dürfen in diesem Sinne nicht vergessen, dass Jesus uns zuallererst ruft, um bei ihm zu sein, und dann uns als seine Zeugen sendet.

Vielleicht haben wir als mexikanische Ordensprovinz noch nicht den Schatz des Reiches Gottes entdeckt. Vielleicht sind wir einfach in der Trägheit der täglichen Arbeit gefangen, und wir haben vergessen, dass wir zuallererst in die Nachfolge Christi berufen sind. Ich bin mir sicher, die wichtigste Herausforderung der mexikanischen SSCC-Provinz ist es, in sich den Schatz der Guten Botschaft Jesu neu zu entdecken und danach zu leben. Tun wir dies, wird daraus eine erneuerte Form entstehen, dem Volk Gottes als neue Menschen zu dienen. ◼