Internationale SSCC-Kommunität in Berlin

Sechs Patres aus drei Kontinenten

Eine neue Kommunität zu gründen, ist heutzutage nicht alltäglich. Eine Kommunität zu gründen, in der Ordensleute aus drei verschiedenen Kontinenten zusammenleben, vergrößert die Herausforderung erheblich. Wenn eine solche Gründung dann noch mitten in die Corona-Zeit fällt, ist alles noch sehr viel komplizierter.

Doch allen Widrigkeiten zum Trotz hat die neue internationale Kommunität der Ordensgemeinschaft von den Heiligsten Herzen in Berlin bereits ihren ersten Geburtstag gefeiert. Die offizielle Eröffnung war am 15. August 2020 – auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung der deutschen Ordensprovinz.

Ende Oktober dieses Jahres besuche ich die Berliner Kommunität, die im Stadtteil Charlottenburg nur einen Katzensprung entfernt vom Ufer der Spree liegt. Als ich die breite Otto-Suhr-Allee verlasse und um das imposante Charlottenburger Rathaus herumgehe, stehe ich in einer ruhigen Straße vor der Herz-Jesu-Kirche und dem Pfarrhaus mit einer beeindruckenden roten Backsteinfassade.

Zur neuen Gemeinschaft SSCC in Berlin gehören sechs Patres: Patrisius (Patris) Breket und Dionisius (Dion) Watun stammen aus Indonesien, André Kibeti und Crispin Badinga kommen aus der Demokratischen Republik Kongo, Harald Adler und Ludger Widmaier gehören zur deutschen Ordensprovinz. Zum offiziellen Start im vergangenen Jahr waren allerdings noch nicht alle in Deutschland, die beiden Mitbrüder aus der Provinz Afrika kamen erst gut einen Monat später in Berlin an. Zunächst gab es Probleme mit den Visa, dann machte Corona die Reise von Kinshasa nach Deutschland für längere Zeit unmöglich. So konnten die beiden auch nicht an der mehrmonatigen gemeinsamen Vorbereitungszeit in Werne teilnehmen.

„Dieser doppelte Start war nicht so ideal“, erinnert sich der Obere der Gemeinschaft, Pater Patris. Gleichzeitig ist er sehr dankbar für das, was sich seither entwickelt hat. „Wie wir miteinander umgehen, einander helfen, das ist wirklich gut. Uns geht es ja zunächst darum, als Kommunität zu leben. Erst danach kommt die Frage nach unserer Mission und anschließend die Klärung, was wir hier tun können.“ Pater Crispin bedauert die misslichen Umstände zu Beginn ebenfalls: „Patris und Dion hatten während der Zeit in Werne die Möglichkeit, die deutsche Sprache zusammen und in Präsenz zu lernen. Jetzt gibt es nur Online-Kurse, was nicht so gut ist.“

Dass die deutsche Sprache eine schwere Sprache ist, betonen die afrikanischen und indonesischen Patres unisono. „Deutsch zu lernen bedeutet, dass man viel zu leiden hat“, sagt Crispin Badinga mit einem Augenzwinkern. Es sei schwer, aber nicht unmöglich. Auch wenn sie schon sehr viel gelernt haben, bleibt die Aussprache eine Herausforderung. Das Gespräch führen wir größtenteils auf Englisch und Französisch mit deutschen Einsprengseln.

Ein schwieriger Start

Corona hat nicht nur den Start und das Erlernen der Sprache erschwert. Die andauernden Einschränkungen durch die Pandemie wirken sich auch im Alltag aus: Es fehlen Begegnungsmöglichkeiten, um Stadt, Land und Leute kennenzulernen, und auch das Einfinden in die pastoralen Aufgabenfelder ist unter Corona-Bedingungen nicht leicht.

Als die sechs Ordensbrüder von ihren Oberen gefragt wurden, ob sie Teil der neuen Berliner Kommunität werden wollten, war von solch widrigen Umstände noch keine Rede. Rund um den Tisch im Ess- und Wohnzimmer versammelt erinnern sich alle an diesen Moment. Der Senior, Pater Harald, war gerade von den Philippinen zurückgekehrt, wo er nach einem langen Berufsleben als Lehrer und Direktor des Gymnasiums St. Christophorus in Werne noch 15 Jahre lang in der Ausbildung junger Mitbrüder und in einer Pfarrei der Armensiedlung Bagong Silang am Nordrand von Metro-Manila mitgearbeitet hatte. „Ich habe überlegt, dass Berlin eine neue und gute Aufgabe für mich sein könnte“, erinnert sich der 84-Jährige.

Dem zweiten Deutschen, Pater Ludger, fiel es ebenfalls relativ leicht, Ja zu sagen. Auch er hat viele Jahre im Ausland – in Argentinien – gelebt und schätzt die internationale Dimension der Ordensgemeinschaft. Zunächst hatte er Bedenken, ob es ihnen in der neuen Kommunität gelingen würde, gut mit den kulturellen Unterschieden umzugehen, die die Einzelnen mitbringen. „Jetzt bin ich überrascht, wie gut das ging. Ich habe den Eindruck, dass sich hier jeder wohlfühlen kann.“

Schritte von ganz anderem Ausmaß waren es für die anderen vier, auch wenn alle schon Erfahrungen mit der Internationalität der Kongregation gemacht und bereits zuvor eine Zeit im Ausland gelebt hatten. „Ich habe schon gefragt“, erzählt Pater Patris, der zuletzt auf den Philippinen gelebt hat, „ob das nicht jemand anders machen könnte. Aber mein Provinzial hat gesagt, dass meine Erfahrung gefragt sei. Ich war auf den Philippinen seit drei Jahren für die Vorbereitung der jungen Leute auf ihre ewigen Gelübde verantwortlich. Gerade wegen dieser Erfahrungen war ich auch offen für Neues.“

Pater Crispin kannte Deutschland von einem kurzen Besuch vor einigen Jahren. Aber er wusste nicht wirklich viel über dieses Land. „Darum ist es gut, dass wir nicht zuerst zum Arbeiten hier sind, sondern zunächst, um zu lernen.“ Das ist auch seinem Landsmann, Pater André, wichtig. „Wie in der Trias unserer Spiritualität – die Liebe Gottes zu betrachten, zu leben und zu verkünden – geht es auch mit unserer Kommunität. Vor dem Handeln kommt eine Zeit der Integration, des Kennenlernens.“

„Ich hatte zuerst wirklich ein bisschen Angst“, erinnert sich Pater Dion, der zuvor noch nie in Europa gewesen war. Er fragte: Muss das wirklich sein, ein Jahr nach der Priesterweihe? Bin ich dafür geeignet? „Nach einer Zeit des Nachdenkens habe ich mich entschieden, die Herausforderung anzunehmen und die neue Kommunität mit aufzubauen.“

Erst mal die Kommunität aufbauen

Das ist das, worauf die sechs Patres den Schwerpunkt gelegt haben: die Kommunität aufzubauen. Zunächst einmal tun sie das sehr praktisch. „Wir machen in der Kommunität alles selbst: vom Einkaufen und Kochen über das Waschen der Wäsche bis zum Putzen der Räume“, erklärt Pater Patris. An dem Tag meines Besuchs ist er es, der am Herd steht und das Mittagessen zubereitet. Es kommt eine schmackhafte Bohnensuppe auf den Tisch, die mit ihren Gewürzen für den deutschen Gaumen etwas weihnachtlich daherkommt und scherzhaft schon den Spitznamen „christmas soup“ abbekommen hat.

Ihre Haltung haben die sechs so formuliert: „Wir sind schwach, wir lernen zusammen, wir helfen und unterstützen einander.“ Soll heißen, es ist nicht die Position der Stärke, die sie einnehmen. Als internationale Kommunität gehe es darum, miteinander zu lernen, mit den täglichen Herausforderungen umzugehen und zu verstehen, dass sie aufeinander angewiesen seien und einander ergänzten, meint André Kibeti.

Und Ludger Widmaier fügt hinzu: „Wir erkennen an, dass jeder von uns seine Stärken und Schwächen hat. Gemeinsam können wir unseren Horizont weiten, zunächst für uns selbst – und dann auch für andere.“

Für das Gemeinschaftsleben nimmt sich die Berliner Kommunität viel Zeit: täglich bei den Gebetszeiten am Morgen und am Abend sowie bei den Mahlzeiten. Montags gehört der ganze Tag der Kommunität: Da ist Zeit für die gemeinsame Feier der Eucharistie und das Kommunitätsgespräch. Von Zeit zu Zeit verbringen sie den Montag außerhalb des eigenen Hauses bei einem Besinnungstag oder einer gemeinsamen Weiterbildung. Mittwochs sind sie zusammen in der Herz-Jesu-Gemeinde präsent: zur Eucharistiefeier und der anschließenden Zeit der Anbetung mit der Gemeinde.

Ordensleben in einer fast religionslosen Stadt

Auch wenn der Schwerpunkt auf dem Kommunitätsleben und ihrem Zeugnis als Ordensleute liegt, übernehmen die Patres auch Aufgaben auf verschiedenen pastoralen Feldern. Die Gemeinde Herz Jesu bildet zusammen mit den Gemeinden St. Thomas von Aquin und St. Kamillus eine Pfarrei. Hier arbeitet vor allem Pater Patris mit. Weitere Arbeitsfelder sind die französisch- und englischsprachigen Gemeinden in Berlin.

Auch hier gibt es viel zu lernen. Nicht einmal 10 Prozent der Einwohner:innen Berlins gehören der katholischen Kirche an, knapp 16 Prozent der evangelischen, rund 8 Prozent bekennen sich zum Islam. Zwei Drittel haben kein religiöses Bekenntnis.

Als Christen in der Minderheit zu sein, kennen die Indonesier auch aus ihrer Heimat. Nur gut 10 Prozent der Einwohner:innen dort sind Christen, 3 Prozent davon gehören der katholischen Kirche an, während fast 90 Prozent Musliminnen und Muslime sind. „In Indonesien wächst das Christentum, in Deutschland schrumpft es“, benennt Pater Dion den Unterschied. Wenn manchmal niemand zur Messe kommt, fragen wir uns schon, warum sind wir eigentlich hier. „Gleichzeitig weiß ich: Wir sind hier, um das Evangelium zu verkünden. Und die Menschen, denen wir begegnen, lassen uns an ihrem Glauben teilhaben, evangelisieren uns.“ „Und die Leute hier sind froh über unsere Präsenz“, ergänzt Pater Patris.

Was sie sich mit Blick auf den zweiten Geburtstag der Kommunität im August 2022 wünschen, frage ich, als wir nach dem Essen bei einer Tasse Kaffee zusammensitzen. Alle erhoffen sich große Fortschritte beim Erleren der deutschen Sprache. „Da tun wir unser Bestes“, sagt Pater Patris, auch stellvertretend für die anderen drei. Darüber hinaus hoffen alle sechs, dass Corona sie nicht weiterhin ausbremst, dass sie ihr Umfeld und die Menschen, die dort leben, besser kennenlernen. Sie möchten die nächsten Schritte in den pastoralen Aufgaben gehen und das Verständnis für ihre Sendung als internationale Kommunität SSCC in Berlin vertiefen. Auf dem Weg dahin bleibt ihr Leitbild: „Wir lernen zusammen, wir helfen und unterstützen einander.“

Peter Wegener

Die Mitglieder der SSCC-Kommunität in Berlin

Pater Harald Adler, geboren 1937 in Gnadenfeld in der Nähe von Odessa am Schwarzen Meer in der damaligen UdSSR, kam 1944 mit seiner Familie nach Deutschland. Nach dem Besuch des Johannesgymnasiums in Lahnstein trat er 1957 in die Ordensgemeinschaft ein und wurde 1962 zum Priester geweiht. Nach Jahren als Lehrer und Schuldirektor des Ordensgymnasiums in Werne und anschließend als Ausbilder des Ordensnachwuchses in Manila war er zuletzt in einer Pfarrei in einem Stadtteil der Großregion der philippinischen Hauptstadt Manila tätig.

Pater Crispin Badinga, geboren 1982 in Kikwit/Kwilu in der Demokratischen Republik Kongo, trat 2013 in Mosambik in die Ordensgemeinschaft ein. 2016 wurde er zum Priester geweiht und war zuletzt Vikar in einer Pfarrei in der DR Kongo.

Pater Patrisius Breket, geboren 1969 in Kluang-Flores in Indonesien, trat 1992 in die Ordensgemeinschaft ein und wurde 2000 zum Priester geweiht. In den letzten Jahren war er in der Ausbildung der jungen Mitbrüder auf den Philippinen tätig.

Pater André Kibeti, geboren 1979 in Kisangani in der DR Kongo, trat 2005 in Mosambik in die Ordensgemeinschaft ein. 2010 wurde er zum Priester geweiht und war zuletzt Pfarrer einer Pfarrei in der DR Kongo.

Pater Dionisius Watun, geboren 1984 in Lewokluo in Indonesien, trat 2006 in die Ordensgemeinschaft ein und wurde 2017 zum Priester geweiht. Bis zu seiner Übersiedlung nach Berlin war er in einer Pfarrei in Bandung in Indonesien tätig.

Pater Ludger Widmaier, geboren 1964 in Bockum-Hövel, machte sein Abitur am St.-Christophorus-Gymnasium in Werne. 1987 trat er in die Ordensgemeinschaft ein und wurde 1996 in Morón-Sur/Buenos Aires in Argentinien zum Priester geweiht. Zuletzt war er in der Citypastoral in Koblenz tätig.