Bericht aus Frankreich

Bertrand Cherrier SSCC

Frankreich: Eine neue Welle der Armut

Seit dem 14. März bietet unsere Pfarrgemeinde St. Gabriel (Paris) jeden Tag Mahlzeiten vor der Kirche an. An den ersten Tagen kamen etwa 20 Personen – meist obdachlose Menschen – zum Essen. Zwei Monate später sind es etwa 100 Mahlzeiten am Tag. Vom ersten Tag der Essensausgabe an sind immer mehr Menschen neu hinzugekommen, die heute unter die „Armen“ gezählt werden müssen. Alle, die vorher eine kleine Arbeit hatten und sich mit einem Minimum an Geld organisieren konnten, um zu leben, sind nach zwei Monaten in die Kategorie der „Benachteiligten“ abgerutscht, denn sie verdienen nun gar nichts mehr.

Hiervon sind auch junge Leute – besonders Studierende – betroffen. Eine ganze Reihe von ihnen mussten arbeiten, um ihr Studium bezahlen zu können. Heute, ohne diese kleine Arbeit – oft in Gaststätten und als Babysitter – können sie die Miete nicht mehr bezahlen. Sie bitten bei uns um Essen, um mit dem wenigen Geld, das ihnen bleibt, bis zum Ende des Monats zu kommen.

Für die Obdachlosen hat die Pandemie an ihrer sowieso schon schlechten Lage nicht so viel verändert. Aber für die „neuen Armen“ ist es ein Drama, eine völlig neue Situation und eine große Herausforderung. Sie sind es nicht gewohnt, um Hilfe bitten zu müssen.

Unsere Pfarrgemeinde unterstützt auch weiterhin die Obdachlosen materiell, und in Zusammenarbeit mit der Kommunalverwaltung und anderen Sozialdiensten helfen wir diesen „neuen Armen“, damit sie schnell wieder in ihr Leben vor der Krise zurückfinden. Soweit möglich, versuchen wir auch eine psychische Stütze zu sein, insbesondere durch das „Team Kirchenpräsenz“, das jeden Tag in der Kirche seinen Dienst versieht.

Auch wenn die Pandemie irgendwann überwunden ist, wird die Arbeit mit den Menschen in zerbrechlichen Lebenssituationen weitergehen. Es wird noch viele Monate dauern, bis sie in ein Leben wie vor der Ankunft von Covid-19 zurückfinden werden. Die Mitarbeit von Ehrenamtlichen wird unersetzlich bleiben, damit diese „neuen Armen“ ein Leben finden mit neuer Hoffnung und würdigen Lebensbedingungen. Das bleibt eine neue Herausforderung für unsere Pfarrei.